Spür die Angst
die Menge. Überschlug die Zahl der Anwesenden. Mindestens vierzig Männer und genauso viele Frauen, wenn nicht noch mehr, außerdem mindestens zehn Leute, die zum Personal gehörten. Die Musik dröhnte. Glühende Zigarren in faltigen Händen.
Ganz klar eine Art Bordellbetrieb, auch wenn er noch nicht ganz kapiert hatte, in welcher Form. Und doch war die Atmosphäre wie auf einem großen privaten Fest. Rein theoretisch: Es könnte sich um die eingeladenen Freunde des Hauseigentümers und deren jeweilige Partnerinnen handeln. Obwohl es natürlich ziemlich unwahrscheinlich war, dass all die alten Knacker so junge Freundinnen hatten. Zu schön, um wahr zu sein. Oder die männlichen Bekannten des Hauseigentümers plus einige dort hinchauffierte Partygirls, um die Stimmung aufzulockern. Aber es lag noch etwas anderes in der Luft.
Jorge sah sich um.
Der Saal war groß. An der Decke hing ein riesiger Kronleuchter. An den Wänden Scheinwerfer. In den Ecken Lautsprecher. Der eine Teil bestand aus einer Bar, hinter der ein Mann und vier junge Frauen standen. Sie hatten alle Hände voll damit zu tun, Drinks zu servieren. Die meisten Herren gesellten sich zu kleinen Gruppen oder waren umgeben von Mädchen. Direkt unter dem Kronleuchter tanzten fünf blutjunge Girls – an jedem anderen Ort hätte man ihre Bewegungen als unnötig aufreizend empfunden.
Jorge stellte sich an die Bar. Bestellte einen Gin Tonic. Fühlte sich unsicher. Was sollte er jetzt machen? Was wollte er hier eigentlich erreichen? WO ZUM TEUFEL WAR ER GELANDET ?
Er nahm einen großen Schluck von seinem Drink. Ließ sich eine Zigarre geben, Habana Corona. Edle Sorte. Die junge Frau hinter dem Tresen hielt ihm ein Zigarrenfeuerzeug hin. Kleine, extra heiße Flamme. Sie spitzte die Lippen. Jorge schaute weg. Nahm einen Zug.
Versuchte, klar zu denken. Keine Panik aufkommen zu lassen.
Ruhig Blut.
Kannte er hier irgendwen? Würde ihn jemand wiedererkennen? Die Grauköpfe: Schweden, gepflegtes Äußeres. Etikette, Ausstrahlung, Haltung. Typische Machtsignale. Jorge kannte kein einziges Gesicht. Demzufolge dürfte auch ihn niemand hier kennen. Das Personal: muskulöse Jugos sowie Jetset-Carl plus einige seiner Leute, Organisatoren des Festes. Pseudo-Snobs. Jorge glaubte nicht, dass sich der Jetset-Typ an seinen Auftritt im Kharma erinnerte, so breit, wie der Kerl gewesen war. Das größte Risiko: dass Jetset-Carl aufgrund der Schüsse in Hallonbergen übermäßig misstrauisch war. Andererseits, offensichtlich hatte er diese Party ja stattfinden lassen. Der Typ war nicht von der ängstlichen Sorte.
Jorge hatte bisher weder Radovan noch Nenad entdeckt. Er würde sich umsehen müssen, ob sie da waren.
Er blieb cool – war nur einer von circa hundert Anwesenden. Diejenigen, die als Gäste geladen waren, dachten wahrscheinlich, er sei ein Wachmann. Die Wachmänner hingegen nahmen offenbar an, dass er ein Gast war.
Jorge ließ seinen Blick durch den Saal schweifen. Dachte über seinen nächsten Zug nach. Belauschte das Gespräch zweier Grufties neben ihm.
Der eine: flackernder Blick. Beobachtete unablässig die Bräute im Saal. Der andere, entspannter, nahm intensive Züge von einer dicken Zigarre. Sie schienen einander gut zu kennen.
»Diese Veranstaltungen werden einfach immer besser.«
Der Mann mit der Zigarre lachte. »Verdammt heiße Vorstellung dieses Jahr, find ich auch.«
»Was für Weiber er hier auffährt. Ich bin ganz hin und weg.«
»Ist ja auch der Sinn der Sache. Du warst nicht zufällig mit bei Christopher Sandberg vor zwei Monaten, oder?«
»Nein, ich kenn ihn nicht näher. War es nett?«
»Oh, ganz phantastisch. Christopher ist genauso ein Gentleman wie Sven.«
»Ich hab gehört, dass Christopher ein neues Haus in eurer Nähe gekauft hat.«
»Stimmt. Im Valeväg. Seine Firma scheint recht gut zu laufen, denn er hat ’ne schicke Villa an Land gezogen.« Er grinste.
»Soweit ich es mitgekriegt habe, hat er ’nen guten Job in Deutschland gemacht.«
»Tja, der Markt dort ist ja ziemlich in die Höhe geschossen. Sie haben immerhin eine Zuwachsrate von dreißig Prozent pro Jahr erreicht.«
»Ja, das kann sich sehen lassen. Du, schau dir mal die mit den Zöpfen an. Was für geile Titten.«
»Etwas für dich, hm?«
Der Mann mit dem flackernden Blick starrte das Mädel an. Geiferte regelrecht nach der Beute. Dann nahm er einen Schluck von seinem Drink. Wandte sich wieder dem Mann mit der Zigarre zu.
»Aber eins wundert mich immer wieder.
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