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Spür die Angst

Spür die Angst

Titel: Spür die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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Bußgeldbescheide gingen an das Leasingunternehmen.
     
    Mrado ging rauf zu Radovans Haus.
    Die Villa: ein längliches einstöckiges Haus mit mindestens dreihundertfünfzig Quadratmetern Wohnfläche. Weißgestrichene Außenwände und Flachdach mit schwarzen Dachplatten. Tür- und Fensterrahmen in dunklem Holz. Während der Sommermonate topgepflegter Garten. Fuchsien, Rhododendren, winterharte Pflanzen. Jetzt, wo der Herbst nahte, wurde alles unweigerlich kahl. Das Grundstück von einem Holzzaun eingefasst, circa anderthalb Meter hoch. Auf der Innenseite wuchsen Fünffingersträuche. Von außen sah alles friedlich, gefällig und langweilig aus. Mrado wusste jedoch, dass es von innen streng bewacht war.
     
    »
Dobra došao,
komm rein, Mrado.«
    Stefanovic, Radovans Hausangestellter, öffnete die Tür. Führte Mrado ins Haus.
    Radovan saß in einem Ledersessel in der Bibliothek. Proper gekleidet wie immer. Dunkelblauer Blazer. Helle Manchesterhosen. Sorgfältig frisiert. Die Falten/Narben in seinem Gesicht flößten dem Betrachter Respekt ein.
    Dunkle Tapeten im Raum. Entlang der Wände sowohl niedrige als auch hohe Bücherregale. An den Wänden über den Regalen: gerahmte Landkarten, Gemälde und Ikonen. Aus Europa und vom Balkan. An der schönen blauen Donau. Die Schlacht auf dem Amselfeld. Die Bundesrepublik Jugoslawien. Historische Helden. Ein Portrait von Karageorge. Die heilige Sava. Aber vor allem Landkarten von Serbien-Montenegro.
    Stefanovic ließ sie allein.
    Radovan begrüßte ihn auf Serbisch: »Willkommen.«
    »Das Vergnügen ist ganz meinerseits. Wir sehen uns ja nicht gerade oft.« Mrado blieb stehen.
    »Setz dich doch, um Gottes willen. Nein, wir sehen uns nicht gerade oft. Das ist wohl auch am besten so. Aber wir telefonieren.«
    »Selbstverständlich. Sooft du möchtest.«
    »Mrado, lass uns die Höflichkeitsfloskeln überspringen. Du kennst mich gut, ich drücke mich klar und deutlich aus. Das bedeutet allerdings nicht, dass es persönlich gemeint ist. Du kannst dir sicherlich vorstellen, wie ich über das denke, was im Kvarnen geschehen ist.«
    »Ich glaube schon.«
    »Die Sache dort ist völlig aus dem Ruder gelaufen. So etwas darf nie wieder vorkommen. Ich hab dir vertraut, und du hast dich absolut lächerlich gemacht. Und jetzt ist die Situation völlig entgleist. Kapierst du eigentlich, was du da angestellt hast? Das Ganze kann geradewegs zu einem Krieg führen.«
    »Es tut mir unwahrscheinlich leid, Rado. Ich hab die Situation falsch eingeschätzt. Ich nehm die gesamte Verantwortung für das, was passiert ist, auf mich.«
    Mrado dachte insgeheim: Die ganze Scheiße war eigentlich Patriks Fehler. Aber es war nicht angebracht, die Schuld von sich zu schieben. Trug man die Verantwortung, so trug man sie nun mal.
    Radovan entgegnete: »Das will ich aber auch meinen. Alles andere wäre äußerst absurd. Du weißt um unsere Lage. Der Nazi, den du da bei dir hast, dieser Patrik, wurde wegen schwerer Körperverletzung verurteilt. Er darf natürlich nicht nach Belieben telefonieren oder Briefe schreiben. Es darf überhaupt kein Informationsaustausch stattfinden. Wir erfahren also keinen Deut von dem, was er über uns erzählt hat. Man kann sich nicht auf jeden verlassen. Es wäre natürlich am besten für dich, wenn er uns nicht verpfeifen würde. Am besten für uns.«
    »Ich glaub, da besteht keine Gefahr.«
    »Du hast die ganzen Jahre über einen guten Job gemacht. Und dann das. Warum hast du diesem unprofessionellen Naziidioten nicht Einhalt geboten? Die Polizei kann diesen Blödmann zerpflücken wie ein Suppenhuhn. Außerdem ist zu befürchten, dass die Hells Angels, Bandidos, Boman oder sonst wer ausrasten. Die Lage zwischen den Gruppierungen in dieser Stadt ist bereits ziemlich angespannt. Und darf sich nicht noch weiter zuspitzen.«
    Mrado war unter normalen Bedingungen Mister Knallhart. Aber Radovan war einer dieser Männer, der Leute im Allgemeinen und Mitglieder der Jugomafia im Speziellen dazu brachte, in seiner Nähe die Stimme zu senken und direkten Augenkontakt zu vermeiden. Mrado wurde unruhig. Radovan war richtig sauer. In seinem Kopf hämmerte es: Es war verboten, es sich mit Radovan zu verscherzen. Noch einmal: verboten, es sich mit Radovan zu verscherzen.
    Auf der anderen Seite schulterte Mrado den Löwenanteil des Jobs. Kümmerte sich um die Garderoben, die Schutzgelderpressung und so weiter. Er erinnerte sich noch gut an die Zeit unter Dragan Joksovic, als er und Rado gleichgestellt

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