Spür die Angst
Gesicht. Vor ein paar Jahren von Elle auf den dreiundsiebzigsten Rang der sexyesten Männer Schwedens gewählt worden, notorischer Schürzenjäger. Ein absoluter Einfaltspinsel.
Er stellte sich zu den beiden, wollte vorgestellt werden. Sophie ignorierte ihn lange,
big time,
unterhielt sich weiter mit dem aufgeblasenen Idioten. JW steckte demonstrativ die Hände in die Taschen, setzte erneut seinen uninteressierten Blick auf, zog die Mundwinkel herab.
Er schiss auf ihn.
Dann gab er es auf, ließ sie stehen. Spielte ihr Spielchen mit und ging hinunter in den Salon.
Ein und dasselbe Wort im Kopf: Scheiße.
Irgendetwas stimmte mit Sophie nicht. JW machte sich Sorgen: Durchschaute sie seinen Bluff? Manche Spuren waren schwer zu verwischen. Ein Junge aus Robertsfors hatte ganz einfach keine Chance bei der coolsten Braut aus der Welt um Stureplan.
Seine Überlegung: Was steckte eigentlich hinter seiner Sehnsucht nach Sophie? Vielleicht war Sophie die Reinkarnation Camillas? Ein Partygirl mit Köpfchen. Irgendetwas war mit seiner Schwester geschehen, etwas, das er nicht wahrhaben wollte. Und dennoch machte er es wie sie. Zog in die Stadt, ging auf Partys, gab Geld aus. Verliebte sich in Frauen, die ihr ähnlich waren. Erschwindelte sich ein Leben, genau wie sie. Camilla hatte eine Art Doppelleben geführt, auf jeden Fall vor ihren Eltern, aber auch vor JW . Das stand fest, nachdem er die Fotos gesehen hatte, auf denen sie in einem Ferrari saß, von dem sie nie etwas erwähnt hatte. Nur einmal hatte sie JW etwas angedeutet: »Ich verdiene in zwei Monaten mehr Kohle als Mama in einem Jahr.« Und womit? Wie war es außerdem möglich, dass sie nur
eine
Freundin auf dem Komvux gehabt hatte, nämlich Susanne? So, wie JW sie in Erinnerung hatte, war Camilla die sozialste Braut in ganz Robertsfors.
Seine Gedanken begannen sich im Kreis zu drehen. Er dachte an das, was Jan Brunéus ihm vor drei Tagen erzählt hatte.
Das Ganze war ziemlich faul.
Er musste mehr herausbekommen.
Im Salon war es voller als in einem Abteil einer verspäteten U-Bahn am Montagmorgen. Aus einem Stroboskop in einer Ecke schossen Leuchtblitze. Sechs verschiedenfarbige, bewegliche Scheinwerfer tauchten die Tanzfläche in farbiges Licht, und ein Laserscheinwerfer projizierte Bilder an die gegenüberliegende Wand. Auf dem Boden stand eine Nebelmaschine, und die gigantischen Lautsprecher in den Ecken sorgten dafür, dass alles vibrierte. Auf zwei Flachbildschirmen, die auf den Lautsprechern thronten, flimmerten Videoinstallationen von Ernst Billgren vorbei.
JW fand seine These wieder einmal bestätigt: Leute mit Geld feiern einfach besser.
Er tanzte wild mit einer zwanzigjährigen Silikonschönheit aus der Fernsehshow Paradise Hotel, bis er die geschlossene Tür erblickte, die vom Salon abging. Davor war ein weiterer Securitymann platziert. Älter, diskreter, aalglatt, mit nach hinten gekämmtem Haar. Auch hier der entlarvende Faktor – die Kleidung. Schwarzes Polohemd, dunkle Jeans und eine dünne Lederjacke – Kleidung für drinnen. JW kannte ihn; Tom Schultzenberg – angestellt bei der größten Securityfirma auf Stureplan.
Er dachte: Hier muss es sein.
Der Doorman checkte seinen Namen mit der Liste ab. JW glitt hinein.
Er befand sich in Jetset-Calles Schlafzimmer, umfunktioniert zu einem libanesischen Café – super privé. Das Bett war entfernt worden, stattdessen standen messingfarbene Wasserpfeifen auf dem Boden, mit Fruchtgeschmack im Tabak. Die Wände waren mit lilafarbenen und roten Stoffen drapiert. Ein dicker Teppich und Kissen mit Goldstickereien und Quasten sorgten für eine gedämpfte Atmosphäre im Raum. Und dennoch herrschte eine leicht aufgeheizte Stimmung: gute Laune, angeregte Blicke, sexy Feeling. JW kapierte sofort. Mitten im Raum stand ein Glastisch. Und mitten auf dem Glastisch lag ein Haufen Schnee.
Imposant.
Sechs Personen saßen auf Kissen um den Tisch herum. Zwei von ihnen sogen gerade ihre Linien ab. Zwei andere bereiteten ihre vor. Alle Personen im Raum schnieften, wischten sich mit dem Handrücken den Puder ab, niesten und plauderten munter über die Schönheit des Lebens.
JW betrachtete sein Werk, seine Lieferung. Ein VIP -Raum ohne Grenzen. Was für eine Einladung, welche Klasse.
Er ließ sich auf einem weinroten Kissen nieder. Streckte sich nach einer Rasierklinge und begann, eine Line zu legen. Ein Mädchen, das ihm gegenübersaß, starrte ihn an, schien ihm allein schon mit ihrem Blick einen blasen zu
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