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Spürst du den Todeshauch: Thriller (German Edition)

Spürst du den Todeshauch: Thriller (German Edition)

Titel: Spürst du den Todeshauch: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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können. Die blaue ist aber auch hübsch. Seine guten Schuhe sind gewienert. Er war ja immer so ein Perfektionist.
    »Ich meine ja nur, meine Freunde, mit denen ich aufgewachsen bin, haben Papa immer gemocht, und jetzt ist noch nicht mal mehr Zeit, sie anzurufen und ihnen Bescheid zu geben.«
    Gretchen saß auf der Bettkante, trug noch ihren Morgenmantel und hatte Lockenwickler im Haar. Trotz ihrer vierundfünfzig Jahre war ihr Gesicht faltenlos. Im Unterschied zu ihren Eltern war sie immer schon etwas pummelig gewesen. Sie war seit zwanzig Jahren geschieden und vermisste weder ihren damaligen noch irgendeinen Mann. Sie war eine ausgezeichnete Masseurin mit großem Kundenstamm, dazu ein aktives Mitglied in der presbyterianischen Kirche in Minnetonka, einem Vorort von Minnesota; sie hatte einen großen Gemüsegarten und kochte gern. An den Wochenenden hatte sie oft Gäste zu Besuch.
    Die große Freude ihres Lebens aber war das Haus, das ihre Eltern ihr fünf Jahre zuvor gekauft hatten. Es handelte sich um das Modellprojekt eines Bauunternehmers, um ein großes, eingeschossiges Steingebäude mit Schindeldach, großer Küche und Wintergarten. Das dazugehörige Grundstück fiel sanft zum See hin ab, und die umliegende Landschaft unterstrich den eigentümlichen Charme des Gebäudes. Durch eine von Gus und Lottie eingerichtete Leibrente war sichergestellt, dass Gretchen auch in den Folgejahren für Steuern, Versicherung und notwendige Reparaturen aufkommen konnte.
    Gretchen liebte das Haus, so wie andere Frauen ihre Kinder liebten. So hatte sie immer Bilder mit dabei, die sie jederzeit vorzeigen konnte: Fotos von drinnen, von draußen, das Haus zu allen Jahreszeiten. »Als würde ich im Himmel wohnen«, sagte sie dann ihrer bewundernden Zuhörerschaft.
    Dieses Glück hatten Gus und Lottie für ihr einziges Kind immer gewollt, besonders als sie selbst ein gewisses Alter erreicht hatten. Aber genau deswegen wies Lottie Gretchen jetzt an, nicht über das Haus zu reden und die Fotos nicht mitzunehmen. »Ich will nicht sehen, dass du deine Fotos herzeigst. Sonst fragen alle nur, woher dein Vater und ich so viel Geld hatten, um dir unter die Arme zu greifen. Du weißt ja, Papa hätte auf alles, was er dir gegeben hat, Schenkungssteuer entrichten müssen.« Lottie legte die blaue Krawatte über den Anzug auf dem Kleiderbügel und breitete alles ne ben Gretchen auf dem Bett aus. »Ich weiß, dass er nicht genug gezahlt hat. Wenn du also nicht mit Steuern belästigt werden willst, die du nicht aufbringen kannst, dann hältst du besser den Mund.«
    »Mama, ich weiß, wie sehr dich das alles belastet, aber du musst nicht so mit mir reden«, blaffte Gretchen zurück. »Trotzdem versteh ich nicht, warum du Papa so schnell unter die Erde schaffen willst. Warum gibt es keinen anständigen Trauergottesdienst in der Kirche? Er hat dort jede Woche den Gottesdienst besucht.«
    Mit diesen Worten war Gretchen etwas weitergerutscht und saß nun auf dem Ärmel des blauen Anzugs, den Lottie eben neben ihr abgelegt hatte.
    »Steh auf«, herrschte Lottie sie an. »Und zieh dich an.« Aber dann brach ihr die Stimme. »Schon schlimm genug, dass ich Gus’ Sachen zusammenstellen muss. Schlimm genug zu wissen, dass er morgen oder nächste Woche, dass er überhaupt nicht mehr hier sein wird. Ich will mich mit dir nicht streiten, aber ich will auch nicht, dass man dir das Haus wegnimmt. Dafür hat Gus zu viel auf sich genommen.«
    Gretchen stand auf. Lottie öffnete eine Schublade der Ankleide und richtete Unterwäsche, Socken und ein Hemd her, um sie mit dem Anzug ins Bestattungsinstitut zu schicken. »Und was die Beerdigung deines Vaters angeht«, sprudelte es aus ihr heraus. »Begreifst du denn nicht, was in den Zeitungen steht? Alle behaupten, Gus hätte zusammen mit Kate das Feuer gelegt. Weil er so wütend war wegen seiner Entlassung. An seiner Arbeit war nie etwas auszusetzen, damals nicht und früher schon gar nicht. Damals hat sich Kate dafür eingesetzt, dass er ein Jahresgehalt als Abfindung bekam. Aber jetzt behaupten die Medien und die Brandfahnder, dass Kate das Gelände in Brand setzen wollte und sich deswegen an deinen Vater gewandt hat, damit er ihr hilft. Wenn die Reporter davon Wind bekommen, dass Gus heute aufgebahrt wird, wird es von Kameras nur so wimmeln, und überall werden Schaulustige sein, damit sie auch irgendwie auf die Bilder kommen. Und jetzt zieh dich an! «
    Lottie schloss die Tür, als Gretchen gegangen und sie wieder

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