Spürst du den Todeshauch: Thriller (German Edition)
dachte sie. Aber er will alles, den Erlös vom Verkauf plus die vielen zusätzlichen Millionen von der Versicherung. Und ich will nicht diejenige sein, die sich ihm dabei in den Weg stellt.
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L ottie Schmidt sah durch die Rufnummernübermittlung an ihrem Telefon, dass Gretchen anrief. Es war Mittwochnachmittag, das hieß, Gretchen hatte einen weiteren Massagetermin sausen lassen. Anscheinend ging es jetzt endlich in ihren Dickschädel, dass die Brandfahnder sich so sehr für ihr tolles Haus interessiert hatten, weil sie wissen wollten, woher das Geld dafür gekommen war, dachte Lottie.
Sie verschränkte die Hände im Schoß. Sie saß am Tisch ihres kleinen Esszimmers und hatte gerade Fotoalben durchgesehen. Sie wollte nicht rangehen und wünschte sich, sie hätte den Mut, einfach alles stehen und liegen zu lassen. Stattdessen bekam sie Gretchens hitzige Nachricht zu hören: »Mama, ich weiß, dass du um diese Zeit immer zu Hause bist, warum gehst du nicht ran? Mama, hat Papa irgendwas Komisches gemacht, um an das Geld für mein Haus zu kommen? Wenn ja, warum hast du mir nie davon erzählt? Dann hätte ich diesen Brandfahndern, oder was immer sie waren, die Fotos doch nie und nimmer gezeigt. Warum hast du es mir nicht gesagt? Mama, in meinem Leben ist eine Menge schiefgelaufen. Du und Papa, ihr wart immer so streng. Nie habe ich meinen Spaß haben dürfen. Immer habt ihr mir gesagt, ich soll mich noch mehr anstrengen, ich soll noch mehr lernen, die Noten waren nie gut genug. Dann hab ich Jeff geheiratet, um endlich von zu Hause wegzukommen, aber es war ein einziger Albtraum. Ich habe ihn vorn und hinten bedient, so wie du es bei Papa gemacht hast. Und …«
Die halbe Minute, das Zeitlimit auf dem Anrufbeantworter, war um. Gott sei Dank, dachte Lottie mit einem Achselzucken. Was kann man schon machen? Kauft man ihr das Haus, ist man eine Heilige. Und wenn sie es verliert, weil sie immer eine so große Klappe hat, dann wird einem die Schuld dafür hingeschoben.
Sie sah auf das Fotoalbum. Sie und Gus waren beide zwanzig Jahre alt gewesen, als sie vom Pfarrer im Garten ihrer Mutter in Baden-Baden getraut worden waren. Sie hatte eine weiße Bluse und einen Rock getragen, Gus einen geliehenen blauen Anzug. Am nächsten Tag hatten sie Deutschland verlassen, um nach Amerika zu gehen.
Ich habe gelächelt, dachte Lottie. Wie glücklich ich war. Und Gus … er hat so ängstlich ausgesehen, na ja, vielleicht auch ein bisschen glücklich. Er war immer so bestimmt, so streng, aber das war nicht wichtig. Ist es immer noch nicht. Er hat mich geliebt, und er hat immer für mich gesorgt. Er war ein stolzer Mann. Und dann sind wir nach Little Neck gezogen, und unsere Freunde haben sich neue Möbel angeschafft und waren so begeistert davon, dass sie damit angegeben haben, da habe ich zu ihm gesagt: »Gus, schau nicht so. Ich weiß, was dir durch den Kopf geht. Es ist nur schlecht gemachter Plunder, und sie haben viel zu viel dafür ausgegeben. Aber lass ihnen doch den Spaß.«
Er hatte ihre Möbel selbst gebaut. In all den Jahren mussten ihre Stühle und Sessel nur zweimal neu bezogen werden, und natürlich hatte er dies in ihrer Garage gemacht.
Für einen Handwerker wie ihn musste die Entlassung sehr beleidigend, sehr verletzend gewesen sein. Das erklärte alles.
Es klingelte an der Tür. Lottie war so sehr in ihre Erinne rungen vertieft, dass sie jegliches Zeitgefühl verloren hatte. Es war schon halb vier. Peter Callow, der junge, nebenan aufgewachsene Anwalt, hatte sich für diese Uhrzeit angemeldet.
Sie hatte ihn nach dem Besuch der Brandfahnder am Montag angerufen.
Es würde ihr nicht leichtfallen, wusste Lottie. Es war ihr peinlich, sich jemandem anzuvertrauen, den sie noch als kleinen Jungen vor sich sah, der mit einem Softball ihr Wohnzimmerfenster eingeworfen hatte.
Sie erhob sich, stützte sich mit den Händen auf dem Tisch ab, um das Gewicht etwas von den Knien zu nehmen, und ging an die Tür. Der selbstbewusste Anwalt in Mantel, Anzug und Krawatte hatte immer noch das warme Lächeln des Achtjährigen, der sie dankbar angesehen hatte, als sie ihm sagte, dass sie doch wisse, dass er nicht absichtlich ihr Fenster eingeschlagen habe.
Sie nahm ihm den Mantel ab, hängte ihn an die Garderobe im Flur und versicherte ihm auf dem Weg ins Wohnzimmer, dass es ihr trotz Gus’ Tod gut gehe und alles in Ordnung sei. Nachdem er Kaffee oder Tee und auch alles andere abgelehnt hatte, nahmen sie Platz. »Wie kann ich Ihnen
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