Spürst du den Todeshauch: Thriller (German Edition)
Hause, Jose?«, rief Sal ihm noch zu.
Jose lächelte. Sal war ein netter Kerl. »Will nur mal schnell einen Blick reinwerfen.« Er deutete zur Grube.
»Dann beeil dich aber, wenn du noch mitwillst!«
»Mach ich!« Er lief los, und nach wenigen Sekunden war er an der Grube. Wie Jack Worth vor ihm stieg er über das gelbe Absperrband, trat vorsichtig an den Rand und richtete den Strahl der Taschenlampe in die Tiefe.
Es war nicht das Medaillon an der Halskette, das ihm als Erstes auffiel, und auch nicht der eingravierte Name, den er trotz der Erde erkennen konnte.
Tracey .
Sondern die langen Haarsträhnen am Totenschädel, die ihn erstarren ließen. Bruchstückhafte Erinnerungen an eine Biologiestunde in der Highschool und die Worte ihres Lehrers kamen ihm in den Sinn: »Haare, Zehen- und Fingernägel wachsen nach dem Tod noch eine Weile weiter.«
62
W ie immer besuchte Peggy Hotchkiss die tägliche Acht-Uhr-Messe in St. Rita, ihrer Gemeindekirche auf Staten Island. Obwohl sie die ganze Nacht kein Auge zugemacht hatte, war ihr nicht eine Sekunde lang der Gedanke gekommen, mit ihrer vierzigjährigen Gewohnheit zu brechen. Der tägliche Gottesdienstbesuch war ein wesentlicher Bestandteil ihres Lebens, und die heilige Rita, Patronin der Hoffnungslosen, war ihre Lieblingsheilige. An diesem Morgen betete sie noch inbrünstiger als sonst. »Bitte sorge dafür, dass er gefunden wird. Ich beschwöre dich. Sorge dafür, dass man ihn findet. Ich weiß, er braucht mich.«
Die Brandfahnder sind sehr nett zu mir gewesen, dachte sie. Sie haben bei ihrem Besuch sogar die Möglichkeit angesprochen, dass der Obdachlose im Lastwagen das Foto nur gefunden oder vielleicht von jemand anderem gestohlen haben könnte.
»Nein«, hatte Peggy ihnen geantwortet. »Ich will mein Leben darauf wetten, dass Clyde das Foto nie aus der Hand gegeben hätte. Ich habe im Fernsehen mitbekommen, was auf dem Connelly-Gelände passiert ist. Ich kann also nur mutmaßen, wie es war, als Clyde im Lastwagen geschlafen hat. Natürlich hat er Hals über Kopf seine Sachen packen müssen, und dabei ist ihm wahrscheinlich das Bild abhandengekommen.«
Die skeptischen Gesichter der Fahnder waren ihr nicht verborgen geblieben. Ansonsten aber hatten sie sich als sehr höflich erwiesen, sie hatten sie nicht unnötig aufregen wollen und es daher vermieden, offen auszusprechen, dass es sich bei dem Obdachlosen wirklich um Clyde handeln könnte. Sie hatte es ihnen daher leicht gemacht.
»Ich will, dass er gefunden wird«, hatte sie ihnen gesagt. »Sein Sohn will, dass er gefunden wird. Wir schämen uns seinetwegen nicht. Er war in Vietnam, er war immer stolz darauf, seinem Land zu dienen. Er hat überlebt, aber ihm ist dort seine Zukunft geraubt worden, das Leben, das er sonst noch vor sich gehabt hätte.«
St. Rita lag nur fünf Straßen von ihrem Haus entfernt. Solange das Wetter nicht ganz fürchterlich war, ging Peggy immer zu Fuß. Um Viertel vor neun, als sie in ihre Straße einbog, klingelte ihr Handy. Es war Brandfahnder Frank Ramsey.
»Mrs. Hotchkiss«, sagte er, »gerade ist ein Obdachloser ins Bellevue Hospital in Manhattan eingeliefert worden. Man hat ihn in der Notaufnahme erkannt. Er ist erst gestern dort entlassen worden. Er hat seinen Namen als Clyde Hastings angegeben. Es könnte sich dabei um Ihren Ehemann handeln.«
Peggy versuchte, ruhig zu klingen. »Ich komme sofort und rufe meinen Sohn an. Bellevue liegt in der Twenty-third Street, oder?«
»Wo befinden Sie sich jetzt, Mrs. Hotchkiss?«, fragte Ramsey.
»Einen Block von meinem Haus entfernt.«
»Mrs. Hotchkiss, gehen Sie nach Hause und warten Sie dort. Ich schicke einen Streifenwagen vorbei, der wird Sie in fünf Minuten abholen. Es tut mir sehr leid, aber der Mann im Krankenhaus hat eine Lungenentzündung und liegt, so weit ich weiß, im Sterben. Falls es wirklich Ihr Mann ist, möchte ich Sie bitten, ihn dazu zu überreden, dass er uns alles erzählt, was er eventuell über eine vermisste junge Frau weiß.«
Eine Stunde später befand sich Peggy in der Notaufnahme des Bellevue Hospital. Skip war wenige Minuten vor ihr eingetroffen. »Alles in Ordnung, Mom?«, fragte er leise.
»Ja.«
Frank Ramsey erwartete sie bereits. »Er liegt in einem Einzelzimmer. Laut dem Arzt bleibt ihm nicht mehr viel Zeit. Wir hoffen, dass er uns noch von einer jungen Studentin erzählen kann, die ihn möglicherweise über sein Leben auf der Straße interviewen wollte.«
Peggys Mund war wie ausgedörrt,
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