Spuk im Hotel
hielt sie auf. Justus sah zwei kräftige Frauen, die eine riesige Waschmaschine füllten. Sie kümmerten sich aber nicht um die ungewöhnlichen Besucher.
»Hier.« Mrs. Silverstone deutete auf eine schmale Tür. »Gleich haben wir’s geschafft.« Dahinter mussten sie über einen schmalen Steg zu einer Feuerleiter. Als Justus nach unten sah, wurde ihm schwindelig. Die Leiter endete schließlich fast zwei Meter über dem Asphalt einer Seitengasse. Von oben sah es fürchterlich hoch aus. Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, sprang Mrs. Silverstone hinunter und kam sogar federnd unten auf.
Wenn ich nicht riskieren will, dass sie mir wieder davonläuft, dachte Justus, bleibt mir nichts anderes übrig, als auch zu springen. Er fasste sich ein Herz, holte tief Luft und landete weniger elegant, aber unverletzt direkt neben ihr.
»Kommen Sie«, Mrs. Silverstone streckte ihm die Hand entgegen. »Wir müssen doch zusammenhalten. Oder?« Zum ersten Mal sah Justus etwas wie Unsicherheit auf ihrem Gesicht.
Er sah sie offen an und nickte. »Vor allem müssen wir miteinander reden.«
Sie gingen langsam nebeneinander her in Richtung Hauptstraße. Niemand folgte ihnen. Justus beobachtete sie von der Seite. Richtig schick sah sie aus mit ihrem Kurzhaarschnitt und dem lässig weiten Pullover.
»Haben Sie den Mann gekannt?«, fragte er unvermittelt.
Sie schüttelte den Kopf.
»Aber Sie haben ihm doch gewunken und mit ihm geredet.«
»Ich habe ihn gefragt, ob er Mr. Derrigan von der Firma Sowieso ist. Den müsste ich hier geschäftlich treffen, habe ich gesagt. Und dass ich ihn nicht kenne, er aber ganz genau so aussieht, wie mir dieser Derrigan beschrieben worden ist. Das Ganze muss nach einer längeren Unterhaltung zwischen Leuten, die sich kennen, aussehen, verstehen Sie? Als wären wir Mann und Frau oder er der Chef und ich seine Assistentin.«
»Natürlich«, erwiderte Justus. Es war ja ganz einfach. Das blonde Mädchen an der Rezeption sollte die Szene sehen und dann den Schlüssel hergeben, ohne lange zu fragen.
»Und dann gehe ich zur Rezeption und sage, ich soll für meinen Chef noch etwas aus seinem Zimmer holen.«
»Aber das kann man ja nicht mehrmals machen«, sagte Justus. »Der Trick spricht sich doch herum bei den Hoteldetektiven und bei der Polizei.«
»Natürlich nicht.« Sie warf den Kopf in den Nacken. »Man muss sich immer etwas Neues einfallen lassen, richtig kreativ sein.«
»Ganz schön riskant«, sagte Justus langsam. Sie hatten die Hauptstraße erreicht. Justus war froh, als er 200 Meter weiter Peters MG stehen sah.
»Nicht nur riskant«, erwiderte Mrs. Silverstone. Sie seufzte. »Es ist bald vorbei damit. Es gibt ja fast keine Hotels mit Zimmerschlüssel mehr. Überall werden Codekarten eingeführt.«
Am Ende der Straße tauchten zwei jaulende Streifenwagen auf und kamen rasch näher.
»Ob die uns gelten?«, fragte Justus.
»Vielleicht. Gehen Sie weiter.« Mrs. Silverstone blieb vor einem Schaufenster stehen und drehte der Straße den Rücken zu. Justus hob im Weitergehen vorsichtshalber den Arm vors Gesicht, als die Polizeiautos vorüberpreschten. Dabei ließ er Mrs. Silverstone nicht aus den Augen. Als die Gefahr vorbei war, kam sie ihm nach.
»Und was war heute die Beute?« Justus stellte sich Mrs. Silverstone in den Weg und sah sie streng an.
»Leider.« Sie schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich habe das ganze Zimmer abgesucht. Wahrscheinlich hat dieser Gast alles in seinem Safe. Mein Pech.«
Justus grinste sie an. »Safes«, sagte er bedächtig, »sind eben eine äußerst nützliche Sache.« Hinter der Windschutzscheibe des MG konnte er schon Peter und die prächtige Afrolook-Frisur erkennen, für die dieser sich bei der Wahl seiner Perücke entschieden hatte. Aber sie waren noch 40 Meter entfernt, und er wollte die Überraschung von Mrs. Silverstone allein genießen, wenn er sich demaskierte. »Im ›Carlton‹, aber auch im ›Old Star‹.«
Mrs. Silverstone blieb stehen wie vom Donner gerührt. Sie starrte Justus ins Gesicht. Ihre blaugrünen Augen funkelten. Justus warf einen Blick über die Schulter zurück. Das Hotel lag weit genug hinter ihnen, und niemand schenkte ihnen Beachtung. Mit einem Ruck riss er sich die Perücke und den Bart herunter.
Mrs. Silverstones Backenknochen mahlten. »So ist das«, sagte sie langsam. »Sie sind das.«
Feuer!
Peter stieg aus und riss die hintere Wagentür auf. »Darf ich bitten?«, sagte er und machte einen knappen Diener. Mrs. Silverstone
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