Spuk im Hotel
rief Amanda und warf dramatisch die Hände in die Luft.
»Wirklich nicht?« Nach dieser Frage von Lys war es einen Moment ganz still. Amanda schlug die Augen nieder. Nach ein paar Sekunden sagte sie ziemlich leise, sie hätte es einfach nicht glauben wollen, dass die Kollegen vom Nachbarhotel zu derartigen Mitteln greifen würden. Aber im nächsten Moment war sie schon wieder obenauf, schenkte sich und Henry ein neues Glas Wein ein und stieß mit ihm darauf an, dass es jetzt wieder ruhigere Zeiten geben würde in ›Amandas Old Star‹. Lys und die drei ??? stießen mit Obstsaft auf den Rest der Ferien an und darauf, was sie zusammen mit Elizabeth und Kelly noch alles unternehmen wollten.
Strahlend teilte Amanda Peter mit, natürlich koste ihn das Hotelzimmer nichts. Justus stand auf. »Ich muss mich jetzt leider entschuldigen. Ich habe noch eine dringende Verabredung. In ein paar Minuten bin ich zurück.« Auf dem Weg hinaus malte er sich die verblüfften Gesichter aus, die ihm jetzt nachstarrten.
Im ersten Stock klopfte er an Zimmer 104. Alles blieb still. Justus spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss. »Sollte ich mich so in Ihnen getäuscht haben, Madame?«, sagte er leise zu sich selbst und klopfte noch einmal, diesmal heftig. Aber es rührte sich nichts. Er rannte zum Lift und fuhr hinunter. Tatsächlich, an der Rezeption hing der Schlüssel. Also war Mrs. Silverstone abgereist. Dabei hatte sie ihm, Justus Jonas, doch in die Hand versprochen, dass sie sich am anderen Tag der Polizei stellen wollte. Im Ohr hatte er noch ihre beiden Sätze: »Wenn du mich begleitest, fällt es mir leichter. Du bist ja mein Mann.«
Fast mechanisch nahm er den Schlüssel an sich und fuhr wieder hinauf. Er sperrte auf und betrat Mrs. Silverstones Zimmer. Das Bett war gemacht, die Schränke waren leer, der Safe in der Ecke stand offen. In der Mitte des Raums allerdings stand ein riesiger verschlossener Koffer. Dessen Anblick erinnerte Justus an den Koffer im Zimmer von Simpson, das der selbst verwüstet hatte, um allen Verdacht von sich abzulenken.
»Hallo«, sagte plötzlich eine Stimme. Er fuhr herum. Vor ihm stand Mrs. Silverstone. Nicht in der gewohnten Aufmachung als Hotelgast, sondern so, wie sie wirklich war – als Hoteldiebin, jung und sportlich und mit ihrer kurz geschnittenen Pagenfrisur. »Ich habe schon meinen Schlüssel vermisst. Ich dachte, vielleicht stiehlt gerade jemand etwas aus meinem Zimmer.« Sie lächelte ihn an.
»Ich, ich –«, stotterte Justus.
»Ich weiß, du wolltest bloß sehen, was los ist«, sagte Mrs. Silverstone. »Schön, dass du dich um mich kümmerst. Ich war nur noch einmal in der Stadt. Ich weiß ja nicht, wann ich das nächste Mal dort hinkomme.«
»Vielleicht haben Sie Glück«, sagte Justus, »vielleicht lässt die Polizei Sie wieder laufen. Vielleicht setzt man Sie gegen eine Kaution wieder auf freien Fuß, bis zum Prozess.«
»Wohl kaum.« Sie lächelte tapfer.
In diesem Augenblick fiel Justus auf, dass die beiden Zwergpinscher fehlten. »Wo sind denn Ihre Hunde?«
»Ich habe sie schon weggebracht, zu meiner Tante.«
»Hoffentlich nicht zu der, die Ihnen den Tipp mit dem Taubheitsspiel gegeben hat«, erwiderte Justus, und jetzt mussten sie beide lachen. Sie gaben einander die Hand und wünschten sich alles Gute.
»Ich kann mich darauf verlassen?«, sagte Justus. Sie würde schon wissen, was er meinte.
»Ehrenwort.« Mrs. Silverstone winkte ihm nach, als er den Flur hinunterging.
Die Runde unten im Speisesaal brach gerade auf. Amanda bedankte sich überschwänglich bei den drei ???, nicht ohne immer wieder ihren Schal mit großer Geste um ihren Hals zu drapieren. Zwischendurch meinte sie, die drei Jungen seien ein Lichtblick in einer bösen Welt. Justus überlegte nur kurz, ob er auch noch erzählen sollte, was es mit Mrs. Silverstone auf sich hatte. Aber dann beschloss er, Amanda wenigstens mit dieser Geschichte zu verschonen.
»Wisst ihr was?«, sagte Justus stattdessen und hakte sich bei Lys unter. »Ich habe eine Idee. In einer Viertelstunde haben wir unsere Zimmer geräumt. Und dann schlafen wir endlich wieder zu Hause.«
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