Spur der Flammen. Roman
Cronitis nicht ausreichen?«
Der Mann schaute verständnislos drein. »Nun ja. Äh …
mi dispiace,
aber Sie brauchen trotzdem ein Impfzeugnis.«
Als Candice Glenn verwundert ansah, schüttelte er nur diskret den Kopf.
Sie holten ihr Gepäck, verabschiedeten sich von Stavros und seinen Offizieren und folgten den Hafenbeamten auf die Barkasse.
Am Kai wimmelte es nur so von Fußgängern, Autos, Mopeds und Straßenhändlern mit aufgetürmten Waren aller Art auf ihren Karren. Während der Bootsführer die Leinen festmachte, hielten sich die Beamten dicht hinter den beiden Amerikanern. Candice wurde zuerst an Land geholfen, dann Glenn.
Das Erste, was ihm auffiel, war eine große schwarze Limousine am Ende des Kais mit so dunkel getönten Scheiben, dass die Insassen nicht zu erkennen waren. Als Zweites bemerkte er einen Jungen in Shorts und T-Shirt, der einen kleinen mit Zitrusfrüchten gefüllten Karren schob und dabei seine Ware lautstark feilbot.
Die beiden uniformierten
medicos
nahmen die Amerikaner in die Mitte und führten sie am Arm auf die Limousine zu. Glenn wandte sich an die Männer: »Die Früchte sehen wirklich lecker aus. Meine Frau und ich hatten noch kein Frühstück.«
Ihre Eskorte führte sie ungerührt und schweigend weiter.
»He da!«, rief Glenn dem Jungen zu, der sofort seinen Karren herumschwenkte und auf die vielversprechenden Kunden zuhielt.
»Hier müsste ich noch etwas Geld haben«, murmelte Glenn und griff sich in die Brusttasche. Er machte sich nicht die Mühe, das Geld zu zählen, es würde den Jungen mehr als entschädigen. Ehe ihre Eskorte auch nur reagieren konnte, hatte Glenn dem Jungen rasch die Geldscheine in die Hand gedrückt und den Karren umgestoßen, dass die roten, gelben und orangefarbenen Früchte nur so über die Kaimauer kullerten. Er packte Candices Arm und zog sie hinter den Karren, und von da aus rannten sie so schnell sie konnten los, während die überraschten
medicos
über die Früchte stolperten und ausrutschten.
Immer wieder duckten sie sich hinter Wagen und schlängelten sich behände durch den dichten Verkehr. Dann liefen Glenn und Candice weiter, bis sie in einer verwinkelten Gasse ankamen, die so weit entfernt vom Kai lag, dass sie es wagen konnten anzuhalten und Atem zu schöpfen.
»Was war das denn?«, keuchte Candice, als Glenn sie in einen Toreingang zog.
»Ich hatte so eine Ahnung, dass der
medico
kein Arzt war und uns nicht zur Quarantänestation bringen würde. Also habe ich ihm eine Fangfrage gestellt. Als Kind hatte ich chronische Bronchitis und sagte immer ›Cronitis‹. Ein echter Arzt hätte sofort erwidert, dass er so eine Krankheit nicht kenne. Unser Freund hier wollte sich keine Blöße geben, und das war sein Fehler.«
Er spähte die kleine Straße hinunter, die direkt auf den betriebsamen Hafen zuführte. »Diesmal hat Philo uns beinahe erwischt.« Er nahm Candices Arm. »Wir müssen nach London. Und zwar schnell.«
Kapitel 27
P hilo trabte mit gleichmäßigem Schritt auf dem Laufband, stählte sich wie ein Krieger für die entscheidende Schlacht.
Er genoss das Gefühl der Hitze in seinem schweißnassen Körper und die vibrierende Kraft in Muskeln und Sehnen. Hier, in seinem privaten Fitness-Studio, hielt er sich fit, und das mit der religiösen Inbrunst eines Fanatikers. Mit seinen siebzig Jahren gönnte er seinem Körper, der dem eines Fünfzigjährigen glich, nur das Beste vom Besten: Gesundheitsdrinks mit Kräutern und Vitaminen und frischeste, mineralstoffreiche Kost. Er konnte es sich nicht erlauben, dass seine Kräfte nachließen und sein Körper erschlaffte. Er musste vital und aktiv bleiben. Die Zeit raste. Die Stunde war nah.
Nach einer belebenden Dusche trat er, in einen weißen Seidenpyjama und einen weißen Seiden-Morgenmantel gekleidet, auf die Dachterrasse seines Chalets. Es war diese Zuflucht in den Bergen, wo er innere Einkehr hielt und neue Kraft schöpfte. Sein Blick wanderte über schneebedeckte Gipfel, über Schluchten und Senken, über bewaldete Hänge, über Flüsse und Bäche bis zu dem Dorf im Tal. Dann schwenkte er den Blick zum Horizont und stellte sich vor, wie all die Menschen in den Dörfern, Städtchen und Metropolen geboren wurden, sich liebten und hassten und dort starben – er sah die Reichtümer der Erde, und seine Seele schwang sich in lichte Höhen. Mit ausgebreiteten Armen umfing er die Welt, den Globus, diesen blauen Planeten im kalt glitzernden All, umfing die ganze Sphäre mit all den
Weitere Kostenlose Bücher