Spur der Flammen. Roman
»Philo«, sagte sie, als er geendet hatte und die Pfeife beiseite legte. »Philo, das ist Wahnsinn!«
Philos Miene wurde eisig. »Der Prophet gilt nichts im eigenen Land. Jesus hat das begriffen. Und auch ich musste dieses Kreuz tragen. Aber bald wird die Welt eines Besseren belehrt.«
Jetzt wurde Jessica erst bewusst, welch grausamem Irrtum sie aufgesessen war und wie sehr sie Philo unterschätzt hatte. Warum hatte sie diesen Wahnsinn an ihm nicht schon früher bemerkt? Noch während sie fieberhaft nach einem Weg suchte, dieser Gefahr zu entkommen, erschien einer seiner allgegenwärtigen Gefolgsleute, der mit dem Erdbeermal, auf der Schwelle. »Wir haben Kontakt hergestellt«, verkündete Mr.Rossi.
Philo schloss die Augen.
Kontakt.
Das letzte Puzzlestück war an seinem Platz. Der Anfang war gemacht, jetzt begann das Ende. »Ich breche sofort auf«, sagte er und ging zur Tür. Er schnippte mit den Fingern in Jessicas Richtung. »Kümmere dich darum.«
Rossi zog eine Waffe. Jessicas Augen wurden groß. »Philo?«
Er wandte sich zu ihr um. »Du hast mich hintergangen. Du wolltest meine glorreiche Sache vor der Zeit verraten. Hätte ich dich nicht hierher gebracht, hätte ich womöglich meine letzte Chance auf ein Wiedersehen mit Lenore verspielt.«
»Mit wem?«
»Niemand«, drohte er mit stahlgrauem Blick, »mischt sich in mein Leben ein.«
Rossi trat auf sie zu. »Philo!«, rief sie aus.
»Nicht hier«. Thibodeau deutete auf den teuren weißen Bodenbelag. »Draußen.«
»Nein, Philo!«, rief sie erneut, als Rossi sie am Arm packte und auf die Dachterrasse zerrte. »Philo, ich schwör’s dir«, rief sie zum dritten Mal, wie dereinst Petrus Jesus verleugnete. Der Schuss brach sich wie Donnerhall an den gegenüberliegenden Bergwänden.
Sie verloren keine Zeit. Sie waren hier, um sich die Mikrokassette mit der Aufschrift
Rückversicherung
anzuhören.
Ian Hawthornes Wohnung lag im Stadtteil von Bloomsbury in einer kleinen Straße zwischen dem Britischen Museum und der University of London. Glenn und Candice beobachteten das Gebäude von einem benachbarten Buchladen aus, um sicherzugehen, dass die Wohnung nicht überwacht wurde.
Von Salerno waren sie nach Rom geflogen, und von da direkt nach London. Da ihre Pässe aktuelle Einreisevisa aus dem Nahen Osten aufwiesen, hatten sie sich rigorosen Befragungen durch die Sicherheitsbehörden und einer Leibesvisitation unterziehen müssen, bevor sie den Flughafen verlassen durften. Die Verzögerung hatte ihre Ängste beflügelt, dass Philo oder einer seiner Agenten ihnen womöglich in Ians Wohnung auflauern würden, aber sie konnten nichts Ungewöhnliches entdecken. Sie schlossen mit dem Schlüssel auf, den sie in Ians Segeltuchsack gefunden hatten.
Candice überkam eine traurige Stimmung, als sie sich in Ians Heim umsah und dabei an seinen tragischen Tod in der Wüste dachte. Die Wohnung war mit Büchern, Kunstwerken, Keramiken, Statuen und alten Münzen voll gestopft; die Wände waren von Fotografien, gerahmten Briefen und Zeitungsartikeln über Sir Ian Hawthorne bedeckt; überall lagen persönliche Dinge. Die Summe eines Lebens auf zweieinhalb Zimmer verteilt.
Der Schreibtisch bog sich geradezu unter Schuldscheinen, Wettscheinen, Pferderenntabellen und Drohbriefen von Gläubigern. Zuoberst lag die Absage eines Verlegers, ein Manuskript Ians betreffend, das, wie der Verleger schrieb, lediglich »ein Aufwärmen dessen ist, was Sie vor zehn Jahren veröffentlicht haben«. Und dann entdeckte Candice zu ihrer Überraschung eine Ausgabe ihrer
Ägyptischen Liebesgedichte.
Ian hatte nie etwas davon erwähnt.
Glenn legte die Kassette in den Anrufbeantworter und drückte auf Wiedergabe.
Ians Stimme kam klar und deutlich aus seiner Wohnung in Amman. Sie hörten ihn auf Pferderennen setzen, auf Fußballspiele, er kündigte jemandem einen Scheck an und erbat weitere Geldmittel für sein Ausgrabungsprojekt.
Dann erklang Candices Stimme. »Ian? Ich bin’s, Candice. Du hast gesagt, wenn ich je deine Hilfe bräuchte …« Es war nur wenige Wochen her, aber es kam ihr wie Jahre vor.
Sie lauschten gespannt. Der nächste Anruf. »Mr.Hawthorne. Wir möchten Ihre Dienste in Anspruch nehmen«. Die Stimme eines Mannes, aber nicht die Philos. »Wir haben in Erfahrung gebracht, dass Candice Armstrong Ihre Hilfe bei der Einreise nach Syrien benötigt. Wir wären Ihnen sehr verbunden, wenn Sie sie überallhin begleiten würden.«
»So schnell!«, staunte Candice. »Wie
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