Spur der Flammen. Roman
nicht.«
Er trat vor den Kamin, nahm den Feuerhaken zur Hand und stocherte damit in der Glut. »Dein Vater hat uns oder unsere Arbeit da draußen nicht geschätzt«, sagte er. Sein Gesicht erglühte im Kaminfeuer. »John hat uns nur um deiner Mutter willen akzeptiert. Deswegen hat sie dich nicht schon in jungen Jahren hierher gebracht. John hat sie gezwungen, Schweigen zu bewahren, bis du volljährig warst. Er hatte kein Recht dazu, dich von uns fern zu halten. Du gehörst zu uns. Du bist vom selben Blut.«
Jetzt fielen für Glenn die letzten Puzzleteile an ihren Platz. Zwanzig Jahre zuvor, wie jemand rief: »Er ist von unserem Blut!« Sein Vater, der dagegenhielt: »Lass die Finger von meinem Sohn, oder ich bringe dich um!«
»Du bist also auf Rache aus«, erwiderte Glenn, den Blick auf dem Stahlarmband an Philos Handgelenk. Konnte er eine Bombe mit so einem Mechanismus auslösen?
»Rache? Nur zum Teil, aber John musste aus dem Weg geschafft werden. Um deiner Mutter willen.« Philo stellte den Feuerhaken an seinen Platz zurück. »Als John mir davon erzählte, dass der
Stern von Babylon
seiner Ansicht nach das verschollene Buch Mirjam beinhaltete, und damit den letzten fehlenden Teil der Bibel, wusste ich, dass die Luminanz in greifbarer Nähe war. John hätte nur gestört, wenn Lenore zurückkam. Es hätte sie verwirrt. Welchem Mann hätte sie sich zuwenden sollen – dem, den sie einst geehelicht hatte, oder dem, den sie liebte?«
Glenn sah ihn überrascht an. »Meine Mutter ist tot.«
»In der Luminanz werden wir wieder vereint sein.«
Beide starrten ihn an, Candice mit ungläubigem Blick, Glenn mit wachsendem Unbehagen.
»Die glorreiche Luminanz!«, rief Philo aus. »Es gibt tausende von Prophezeiungen darüber. Unser gemeinsamer Vorfahr, Alexander, war nicht der Erste. In den religiösen Schriften und Niederschriften aller Kulturen finden sich solche Hinweise. Auf der ganzen Welt – von den Pygmäen bis zu den kalifornischen Indianern, von einem schwedischen Physiker des zwanzigsten Jahrhunderts namens Lundegaard bis zu einem koptischen Mönch im zehnten Jahrhundert – sind große Denker unabhängig voneinander zu dem einzigen Schluss gekommen, dass Gott im Licht erscheint, wenn die Menschheit bereit ist.«
»Und die Bomben?«, beharrte Glenn, der den Raum unentwegt nach Möglichkeiten absuchte, Philo abzulenken und zu überwältigen.
»Weißt du, was deine Mutter getan hat, als sie hierher kam? Sie hat die Werke der Hypatia von Alexandria, einer Mathematikerin des fünften Jahrhunderts, studiert. Deine Mutter hat ihren Gleichungen und Lehrsätzen ihr Leben gewidmet. Hat darin nach einem Beweis für die Existenz Gottes gesucht. Die Wissenschaft stellt nach der Religion und der Philosophie die nächste evolutionäre Stufe im Entstehungsprozess Gottes dar. Jedes Zeitalter vermittelt uns neues Wissen. Die Steinzeitmenschen hielten den Mond für einen Geist. Vor fünfunddreißig Jahren haben die ersten Menschen den Mond betreten. Galileo wurde wegen seiner Behauptung, die Erde kreise um die Sonne, ins Gefängnis geworfen. Heute wissen wir, dass noch andere Planeten um andere Sonnen kreisen. Vor hundert Jahren haben Physiker das Ende der Wissenschaft ausgerufen, es gab nichts mehr zu studieren oder zu erforschen. Aber dann wurden die Quantenpartikel entdeckt, und eine ganz neue Wissenschaft entstand. Was kommt nach den Elementarteilchen? Was könnte kommen, wenn nicht Gott? Und es wird ein Tag der Engel und Quantenpartikel, der Fanfaren und Quarks sein. Die Religion verbindet sich mit der Wissenschaft. Ein Freudentag, an dem der Himmlische Schöpfer sich mit Glorreicher Substanz vermählt, und die Menschheit wird Zeuge sein!«
»Wir haben deine Argumente gehört«, entgegnete Philo. »Entschärfe die Bomben, dann können wir reden.«
Ein leises Klopfen an der Tür, dann trat Mildred Stillwater mit einem Teetablett ein. Sie stellte Teegeschirr aus feinstem Porzellan mit rosaroten Rosen auf den antiken Mahagonitisch.
»Das sieht gut aus«, lobte Philo sie. »Earl Grey. Der einzige zivilisierte Tee auf diesem Planeten. Weißt du, was köstlich dazu wäre? Ein wenig frische Minze aus unserem Gewächshaus.«
»Ja, Philo«, antwortete Mildred beflissen. Doch erst wandte sie sich den Besuchern zu. Über ihrer weißen Bluse und dem Tweedrock trug sie eine leuchtendgelbe Strickjacke. Sie nahm Candices kalte Hand. »Willkommen auf Morven, meine Liebe.«
Und zu Glenn gewandt: »Mein aufrichtiges Beileid zu
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