Spur der Flammen. Roman
byzantinischen Ikonen stehen geblieben.
»Ich rieche nichts.«
Candice schnupperte in die Luft. »Benzin.«
Glenn rief noch einmal Philos Namen. Sie lauschten. »Hier ist niemand.« Sie stürzten zu der Stahltür. Sie war verriegelt.
»Warte.« Candice hob die Hand. »Ich höre etwas.«
»Jetzt höre ich es auch.« Ein unheimliches piep … piep … piep. Sie folgten dem Piepton durch ein Labyrinth von gläsernen Schaukästen, in denen Smaragde und Saphire unter gleißendem Licht erglühten, bis sie das Ende des Gewölbes erreichten und beim Anblick dessen, was sich ihnen bot, sprachlos stehen blieben.
Die Bombe war sechs Fuß lang, militärgrün, zylinderförmig – und mit einem Mechanismus verdrahtet, von dem das Piepen ausging.
»Ist das eine Atombombe?«, wisperte Candice, als könne ihre Stimme allein schon die Bombe zünden.
»Nein. Du hattest Recht mit dem Benzingeruch. Diese Bombe ist mit Napalm gefüllt.«
»Napalm!«
»Ein Benzinkolloid. Beim Aufschlag zündet das Gemisch von selbst und verteilt sich im gesamten Radius der Druckwelle. Die Masse haftet überall und ist praktisch nicht löschbar. Die äußere Ummantelung der Bombe besteht aus dünnem Aluminium, und die Zündvorrichtung ist …« Er hielt inne.
Ihrer beider Blick fiel auf die glimmernden Ziffern einer Digitalanzeige. Sie zählte rückwärts.
»Die wird losgehen! Kannst du sie entschärfen?«
Glenn schüttelte den Kopf.
»Hat Philo uns hierher gebracht, um uns zu töten?«
»Er will uns seine Macht demonstrieren.«
»Aber warum will er dann das Schloss in die Luft jagen?«
Er sah sie an. »Um die Luminanz aufzuhalten. Ich kann es mir nur so erklären: Er will nicht, dass die Welt endet. Er will seine Macht nicht mit Gott teilen. Der einzige Weg, wie er die Luminanz aufhalten kann, ist, alles hier zu zerstören. Und deshalb müssen
wir ihn
aufhalten!«
Er entdeckte einen kleinen Kassettenrecorder neben dem Zündmechanismus der Bombe und nahm ihn vorsichtig auf. Als er die Abspieltaste gedrückt hatte, ertönte Philos Stimme:
»›Die letzte Stunde hat begonn’, die Stunde, da wir huldigen der Sonn.‹
Das ist der Ausgang des Ganzen, Glenn. Wir sehen uns dann im Jagdzimmer.«
»Huldigen der Sonn. Was bedeutet das?« Candice konnte ihre Augen nicht von der Digitaluhr wenden, die unerbittlich rückwärts zählte.
»Das bedeutet«, sagte Glenn und schaute sich um, »dass Philo sein Spielchen mit uns treibt. Das hat er von Anfang an getan, er lässt uns sozusagen durch Reifen springen. Er will nicht, dass wir hier unten sterben, nein, er will uns lebend, damit er seine Schadenfreude voll auskosten kann. Er muss einen versteckten Auslösemechanismus für die Tür angebracht haben. Uns bleiben genau«, er sah auf die Uhr des Zeitzünders und drückte den Timer an seiner Armbanduhr, als die Anzeige auf 5 : 00 stand, »fünf Minuten, um den Auslösemechanismus zu finden.«
»Spiel das Band nochmal ab«, bat Candice. Gemeinsam lauschten sie noch einmal Philos Worten. Ihre Blicke trafen sich.
Huldigen der Sonn.
Sie stürzten zu einer riesigen aztekischen Sonnenrosette aus massivem Gold und klopften jeden Zentimeter ihrer Oberfläche ab – Furchen und Rillen, Zahlzeichen, den Schwanz der Schlange und das Gesicht in der Mitte, die Augen und die heraushängende Zunge. Die Sicherheitstür rührte sich nicht.
»Was jetzt?« Während Candice sich hektisch umsah, entdeckte sie überall Ikonen des Sonnenkults. Der Zeitzünder zeigte auf vier Minuten. »Wir haben keine Zeit für all das!«
»Du übernimmst dort, ich übernehme diese Seite.«
Sie zerschlugen Vitrinen und Schaukästen, griffen nach kupfernen, bronzenen und silbernen Sonnensymbolen, assyrischen geflügelten Sonnen, Darstellungen von Apoll und dem ägyptischen Sonnengott Ra.
Drei Minuten.
»Ein Sonnensymbol kann manchmal auch ein Rad sein, eine Scheibe oder ein Kreis«, rief Glenn über die Schulter. »Manchmal wird die Sonne auch durch ein Auge dargestellt. Ludwig XIV . nannte sich der Sonnenkönig.«
»Wir können nicht alles durchsuchen!«
Glenn warf einen Blick auf seine Armbanduhr.
Zwei Minuten.
»Vielleicht liegen wir auch ganz falsch. Vielleicht ist es gar nicht die Sonne.«
Candices Gehirn arbeitete fieberhaft, während sie sich noch einmal den Spruch vergegenwärtigte: ›Die letzte Stunde hat begonn’, die Stunde, da wir huldigen der Sonn.‹ »Warte mal, ich glaube, ich habe da was gesehen …«
Sie fand, was sie suchte, hinter einem Schaukasten mit
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