Spur der Flammen. Roman
Sie bleiben, Glenn? Wir könnten Ihre Hilfe dringend brauchen.«
»Ich gehöre nicht hierher, Dr.Stillwater. Auf mich wartet meine Arbeit in Los Angeles.«
Glenn hatte Pläne. In einem Jahr würde Captain Boyle in den wohlverdienten Ruhestand gehen und Glenn war der aussichtsreichste Kandidat für seine Nachfolge. Und er wollte weiter Verbrecher jagen, selbst vom Schreibtisch eines Police Captains aus. Er wollte auch das Felsenklettern wieder aufnehmen und seine Malutensilien bis auf die Bergspitzen schaffen, um die Luminanz für andere auf die Leinwand zu bannen.
Auch Candice wollte er malen. Unter all dem Ruß und der Asche in ihrem Gesicht leuchtete sie von innen heraus. Sie hatte die Luminanz verinnerlicht.
»Dr.Stillwater, wird die Bruderschaft ihre Mission weiter verfolgen?«, fragte Candice hoffnungsvoll.
»Aber gewiss. Die Luminanz kann morgen eintreten oder erst in ein paar tausend Jahren. Ich weiß nur, dass Gott sich nicht drängen lässt.«
Gerührt schaute sie auf die beiden und dachte dabei an ihre eigene Jugend. Sie wollte ihnen etwas mitgeben, etwas, das sie auf ihrem neuen, gemeinsamen Lebensweg begleiten sollte. »Philo mag ja wahnsinnig gewesen sein, in einem Punkt hatte er jedoch Recht: Wir werden mit dem geliebten Menschen in der Luminanz vereint sein. Glenn, ich bin sicher, Sie werden Ihre Mutter wieder sehen.«
Damit entschuldigte sie sich, weil es noch viel zu tun gab.
Während Glenn ihr nachschaute und ihre Worte in ihm nachhallten, deren Gehalt er aber zu einer anderen Zeit vertiefen würde, weil dringendere Dinge anstanden, drehte er gedankenverloren den goldenen Ring mit dem Flammenmotiv an seinem Finger und beschloss, ihn zu seinem Verlobungsring zu machen. Er war sich noch nicht schlüssig, wie er es anstellen würde, um Candices Hand anzuhalten, er wusste nur eins, er musste behutsam und nach einem klugen Plan vorgehen. Aufgrund von Candices Lebensgeschichte wusste er, dass sie nicht vorhatte zu heiraten und, wie ihre Mutter, als Single durchs Leben gehen wollte, wobei ihre Mutter, genau besehen, Witwe war. Er überlegte, ob er das als List anwenden sollte.
»Candice«, setzte er an, bereit ins kalte Wasser zu springen.
»Was würdest du antworten, wenn ich dich fragte …«
»Ja«, sagte sie.
»Ja was?«
»Ich möchte dich heiraten. Das wolltest du mich doch fragen oder etwa nicht?«
Ungeachtet der Blicke und Grimassen der Umstehenden zog er sie in die Arme zu einem endlos langen Kuss. Als er sich von ihr löste, bat er: »Versprich mir, dass du immer impulsiv bleiben wirst.«
»Ich verspreche es unter
einer
Bedingung.«
Er wollte sie erneut küssen, wollte sie über das Wasser zum Thistle Inn tragen, wo es Zimmer über dem Pub gab. »Und das wäre?«
»Dass du immer die Luminanz malen wirst.«
Mildred kam mit einem angesengten Pappkarton zurück. Während sie sich durch die Kollegenschar drängte, verharrte ihr Blick auf Glenn und Candice, die sich liebevoll umarmten.
Mildred erinnerte sich an derlei Zärtlichkeiten, die schon so lange zurücklagen, als sie einen ehrbaren Mann heiraten wollte, den sie dann für Philo verlassen hatte. Ihre Gedanken wanderten zu Andrew. Sie fragte sich, was aus ihm geworden war, und beschloss ihn wiederzusehen, um herauszufinden, ob es womöglich noch nicht zu spät für sie beide war …
»Die Tontafeln von Dschebel Mara«, sagte sie, als sie Candice den Karton überreichte. »Mit meiner Übersetzung. Aber bitte widmen Sie sie Professor Masters, schließlich hat er sie gefunden.«
Candice nahm die Gabe dankbar an. »Was steht darauf geschrieben?«
»Bitte, lesen Sie selbst.«
Ich bin des Lebendigen Gottes Magd.
Ich trage bei mir die heilige Lyra.
Ich trage bei mir die heilige Flöte.
Ich trage bei mir die heilige Trommel.
Ich führe meine Schwestern hin zur Musik.
Ich führe meine Schwestern hin zum Gesang.
Ich führe meine Schwestern hin zum Tanz.
Folgt mir, sprach der Lebendige Gott.
Über das Meer,
über das Meer,
zum anderen Ufer,
und stimmt ein Loblied an.
Denn die Strahlen der Sonne sind wie
die Arme eines Vaters, sie umfangen und trösten,
und all unsere Furcht hat ein Ende.
Freut euch und stimmt ein Loblied an.
Da wurde Candice die schreckliche Wahrheit bewusst: Dass Esther bei lebendigem Leib begraben worden war, hatte nichts mit ihren schriftlichen Aufzeichnungen zu tun; es war lediglich der Racheakt ihres grausamen persischen Herrn, weil sie sich erdreistet hatte, vor ihm wegzulaufen.
»Ich
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