Spur ins Eis
Devlin saßen auf dem Rücksitz des Landrover vor ihrem Motel und starrten auf den Computerbildschirm.
»Die Frau hat wirklich Mut«, sagte Devlin.
»Ja, das stimmt.«
»Und was gucken wir uns hier an ?«
»Das ist eine Google-Karte von dem Gebiet um Boise.«
»Fährt der Truck noch nicht ?«
»Sieht nicht so aus. Vielleicht macht Jonathan noch ein Nickerchen, bevor er losfährt. Wir sollten auch ein bisschen schlafen.«
Er öffnete die Tür. »Komm. Ich habe das Gerät so eingestellt, dass es Alarm schlägt, wenn sich der Truck bewegt.«
Will fiel es schwer, sich zu entspannen. Er fürchtete, die Meldung des TrimTrac nicht zu hören, wenn der Truck losfuhr. Aber das leise Summen des Computers auf dem Nachttisch beruhigte ihn, und schließlich schlief auch er ein.
Seine Träume kamen in Wellen. Er träumte, er würde aufwachen, und der Computer war weg. Er träumte, das Gerät sei zu einer Plastikpfütze zerlaufen, sei vom Blitz getroffen worden. Er träumte, er würde zwei Wochen durchschlafen und nichts hören.
Um 4.14 Uhr fuhr er aus dem Schlaf auf. Sofort hellwach setzte er sich auf. Der Computer gab Geräusche von sich – eine Art digitalen Alarm. Er schaltete die Nachttischlampe ein und klappte den Laptop auf. Die Google-Karte zeigte nicht mehr die Autobahnausfahrt 64.
Er weckte seine Tochter. »Wir müssen aufbrechen, Devi. Sie sind losgefahren.«
Als Will nach Süden auf die Interstate 84 einbog, hatte der Truck einen Vorsprung von etwa fünfzehn Kilometern. Devlin saß mit dem Laptop auf dem Rücksitz. Er hatte ihr alles beigebracht, was sie wissen musste, und sie kannte das Programm mittlerweile so gut wie er. Alle paar Minuten gab sie die neuesten Daten durch.
Bei Sonnenaufgang fuhren sie in östlicher Richtung an Twin Falls vorbei.
Am Vormittag befanden sie sich auf dem Weg nach Norden auf der Interstate 15, hinein in das Hochland von Southwest Montana.
Sie ließen Jonathan immer einen Vorsprung von etwa zehn Kilometern, und mittlerweile war die anfängliche Aufregung einer lähmenden Monotonie gewichen.
Es gab keine Pausen.
Dillon. Butte. Helena.
Big Sky Country.
Auf der Hochebene, etwa acht Kilometer von Great Falls entfernt, wurde Will auf einmal klar, wohin Jonathan fuhr. Devlin hatte wohl seinen Seufzer gehört, denn sie sagte : »Was ist los, Dad ?«
»Er fährt nach Kanada.«
»Cool. Da war ich noch nie …«
»Nein, nicht cool, Devi. Wir haben eine Pistole im Auto, und wir sind flüchtig.«
»Ist diese Pistole illegal ?«
»In Kanada ja.«
»Aber wir haben Ausweise für Joe und Samantha Foster, oder ?«
Das stimmte. Will hatte seine Sozialversicherungskarten, einen Führerschein, Pässe und beglaubigte Kopien ihrer Geburtsurkunden ständig dabei. Allerdings waren sie bisher nur einmal kontrolliert worden – von einem Streifenpolizisten in der Nähe ihres Hauses in Colorado.
Sie hielten in Shelby, Montana, etwa fünfzig Kilometer von der Grenze entfernt. Nach dreizehn Stunden ununterbrochener Fahrt hatte Will einen Krampf im Bein, als er aus dem Landrover ausstieg und tankte. Während das Benzin in den Tank lief, steckte er die Glock in seine Lederjacke, trat zu einer Reihe von Abfallbehältern hinter dem Laden und warf sie hinein.
Im Laden ging Will zur Toilette, und Devlin kaufte Junk Food, Cola, Kaffee und Schokoriegel.
Als sie weiterfuhren, war es Abend, und das kleine Symbol für Jonathans Truck stand bewegungslos an der Grenze von Montana nach Alberta.
»Hör mir gut zu, Baby. Wie heißt du ?«
»Samantha Foster.«
»Wo lebst du ?«
»In Mancos, Colorado.«
»Wie heiße ich ?«
»Joseph Foster.«
»Warum fahren wir nach Kanada ?«
»Um eine Ex- FBI -Agentin im Trailer eines …«
»Das ist nicht lustig. Die Zollbeamten an der kanadischen Grenze haben möglicherweise keinen Sinn für Humor. Sie könnten uns jederzeit aus einer Laune heraus festnehmen. Und wenn etwas schiefgeht, war es das für Kalyn. Also, sei respektvoll, beantworte ihre Fragen, aber nichts weiter. Wir wollen einen Freund in Calgary besuchen.«
»Müsste ich jetzt nicht in der Schule sein ?«
»Du wirst zu Hause unterrichtet.«
»Wie heißt dein Freund ?«
»Nathan Banks.«
»Wie lange bleiben wir ?«
»Eine Woche.«
»Du kannst wirklich gut lügen, Dad.«
Der Mann, der an Wills Fenster klopfte, war jung und trug dunkle Kleidung.
Will ließ die Scheibe herunter. Es war schon dunkel und bitterkalt.
Der Zollbeamte sagte. »Steigen Sie bitte beide aus.«
Will hatte ihre
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