Spur ins Eis
aber Millionen von Sternen. Sie ging auf das Farmhaus zu, wo ihr Vater und Kalyn auf der hinteren Veranda saßen, Wein tranken und lachten. Sie öffnete den Mund, um ihnen zu sagen, wie glücklich sie war.
Will tastete sich durch die undurchdringliche Dunkelheit zum Zelt zurück. Er war sich sicher, dass er in die richtige Richtung ging, aber bald schon berührten seine Finger die eisige Rinde von Fichtenstämmen, und er merkte, dass er in den Wald hineingelaufen war.
Statt stehen zu bleiben, ging er jedoch immer weiter. Er sah zwar nichts, aber seine anderen Sinne waren geschärft, und er nahm alles verstärkt wahr : das Schaben der Schneeflocken, die auf seinen Parka fielen, das Klopfen seines Herzens, die klare Luft, die nach Schnee roch.
Die Schneedecke schimmerte in einem unwirklichen grellen Blau. Er sah Bäume, seine Spuren. Und dann war es wieder dunkel.
Es donnerte.
Er rief sich ins Gedächtnis, wo das Zelt stand, sah es vor seinem geistigen Auge und versicherte sich, dass er gar nicht so weit vom Weg abgekommen war.
Er begann, nach Devlin zu rufen, damit ihre Stimme ihn zur Wiese zurückführte. Aber wenn sie nun die Worte nicht verstand, sondern nur sein Schreien hörte ? Dann verließ sie vielleicht das Zelt und ging ebenfalls nach draußen. Sie würde sich auch verirren.
Erneut wurde es im Wald heller. Er korrigierte die Richtung und stolperte weiter durch die Dunkelheit, wobei er gegen die ersten Anzeichen von Panik ankämpfte.
40
Will blieb stehen. Soweit er sagen konnte, befand er sich immer noch zwischen den Bäumen. Die Nacht war mondlos, es schneite, und er hätte ebenso gut blind sein können. Es hatte wohl keinen Zweck, unter diesen Bedingungen weiterzugehen. Er war jetzt seit mindestens zehn Minuten unterwegs, und wenn er weiterging, fand er am Ende das Zelt nicht mehr wieder, wenn der Mond sich wieder zeigte.
Er lehnte sich gegen den Stamm einer hohen Birke und wartete.
Innerhalb einer Minute war er völlig durchgefroren. Er hatte das Zelt ohne Handschuhe verlassen, und die Pistole lag eiskalt in seiner Hand. Er legte sie neben sich in den Schnee und zog sich die Ärmel seines Parkas und seiner Fleecejacke über die Hände.
Zehn quälende Minuten vergingen. Sein Gesicht war schon ganz taub, und es schneite immer noch. Und die Dunkelheit war undurchdringlich.
Er klopfte den Schnee von seinem Parka und beschloss, wenigstens ein paarmal um den Baum herumzugehen, damit ihm wieder warm wurde.
Etwas bewegte sich in der Nähe.
Er hielt den Atem an und lauschte angestrengt.
»Kalyn ?«, flüsterte er. Das Geräusch wiederholte sich, kam näher, und er begann zurückzuweichen. Auf einmal jedoch hörte er ein weiteres Geräusch hinter sich – leise Schritte im Schnee.
»Kalyn, bist du das ?« Er vernahm ein Geräusch links von sich. Auch rechts war jetzt etwas zu hören. Er hockte sich hin und fuhr mit der Hand durch den Schnee, bis er auf die Smith & Wesson stieß. »Ich habe eine Pistole«, sagte er laut. Panik stieg in ihm auf, schnürte ihm die Kehle zu.
Der Schneefall ließ nach. Der Mond tauchte hinter schwarzen Wolken auf, und ein paar Sterne blinkten.
Er blickte durch den Wald – schlanke schwarze Baumstämme, seine Fußspuren, die eine kleine Anhöhe hinaufführten. Ich glaube, direkt dahinter ist die Wiese. Soweit kann ich noch nicht weg sein. Wenn etwas passiert wäre, hätte ich Devi sicher schreien hören.
Zuerst dachte er, ein Mensch würde zwanzig Meter vor ihm im Schnee hocken. Er hob seine Waffe. Aber dann erkannte er seinen Irrtum und schwenkte wild die Hände in der Luft.
Der Wolf war weiß, und im Mondschein schimmerten seine roten Augen. Er rannte durch die Bäume davon. Nach dreißig Metern blieb er stehen, drehte sich um und blickte ihn erneut an. »Du gehörst zu den gefährdeten Tierarten«, sagte Will laut. »Also zwing mich nicht, dich zu erschießen.«
Will begann, seinen Fußspuren zum Hügel zurück zu folgen. Der Wald lag jetzt im vollen Mondlicht.
Rechts, links und hinter sich spürte er Bewegung, aber hören konnte er nichts.
Er drehte sich abrupt um. Die drei schwarzen Wölfe, die ihm folgten, blieben stehen.
Er rannte auf sie zu und schwenkte die Arme.
Sie zogen sich zwischen die Fichten zurück, liefen aber nicht weg. Vom Hügel her schlich auch der weiße Wolf erneut auf ihn zu. Er hielt inne, als er sah, dass Will ihn bemerkt hatte.
Auch die drei schwarzen Wölfe kamen wieder näher, deshalb drehte er sich um. Sie blieben stehen, aber
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