Spur ins Eis
in der Hand gehalten, steckte sie aber zur Sicherheit doch ein.
Der Schnee reichte ihr bis zu den Knien, und die Wege um das Zelt waren kaum noch zu erkennen. Sie kämpfte sich quer über die Wiese, bis zu dem Punkt, wo der eine Weg in den Wald abbog und der andere im Bogen wieder am Zelt vorbeiführte.
Ein plötzlicher Hustenanfall zwang sie stehen zu bleiben. Tränen traten ihr in die Augen, als ihre Lungen gegen die Kälte rebellierten. Als der Anfall vorbei war, drehte sie sich um und folgte der Spur, die hinter dem Zelt vorbeiführte. Jeder Atemzug fiel ihr schwer.
Sie stapfte durch den Wald, über kleine Hügel und durch Schneewehen. Die Spuren, denen sie folgte, wirkten seltsam. Sie gingen nicht in eine bestimmte Richtung, sondern kreuz und quer durch die Bäume, und an einer Stelle sogar dreimal um denselben Baum herum.
Als sie endlich am Waldrand angekommen war, schmerzten ihre Beine. Sie blieb stehen, um wieder zu Atem zu kommen. Vor ihr lag ein lang gezogener See, dessen Oberfläche im Mondschein wie schwarzes Eis schimmerte, obwohl er noch nicht zugefroren war. Mit den Augen folgte sie dem Verlauf der Spuren ihres Vaters. Sie verliefen den Hügel hinunter, zum Ufer des Sees, und sie lächelte, als sie dort eine Bewegung wahrnahm.
Dad . Fast schrie sie das Wort, als sie den Hügel hinunterrannte.
Dreißig Meter vor der kleinen Baumgruppe blieb sie jedoch stehen. Von oben vom Waldrand aus hatte sie nur die Bewegung wahrgenommen, aber jetzt erkannte sie, dass das nicht ihr Vater sein konnte. Es sah aus wie mehrere Personen auf allen vieren, die im Schnee herumkrochen und anscheinend spielten. Sie konnte sie zwar hören, aber sie sprachen in einer Sprache, die sie nicht verstand. Sie grollten und knurrten und stritten sich um etwas. Wölfe. Warum führen Dads Spuren dort hinunter ?
Leise drehte sie sich um und begann, wieder den Hügel hinaufzustapfen.
Sie hatte die halbe Strecke schon geschafft, als sie es kommen spürte. Ein unüberwindlicher Drang in ihren Lungen, der mit jeder Sekunde stärker wurde. Du darfst nicht husten, Devi. Du darfst nicht. Der Husten sprang förmlich aus ihr heraus, heftige Zuckungen erschütterten ihnen Körper und brannten in ihrer Kehle.
Als der Hustenanfall vorüber war, blickte sie sich um. Die Wölfe kamen bereits auf sie zu – fünf von ihnen schlichen durch den Schnee.
Sie rannte zum Wald, der nur noch ein paar Meter entfernt war, aber ihre Beine waren bleiern und steif, und sie kam nur mühsam voran. Sie stolperte und fiel bäuchlings in den Schnee. Als sie sich endlich wieder aufgerappelt hatte, waren die Wölfe schon so nahe, dass sie ihr Keuchen hörte.
Sie erreichte den Waldrand. Die ersten drei Schwarzfichten ragten zu hoch auf, aber die Äste der vierten Fichte reichten weit hinunter. Außer Atem packte sie einen verschneiten Ast und zog sich hinauf, als die ersten beiden Wölfe den Waldrand erreichten. Der nächste Ast über ihrem Kopf war kaum so dick wie ihr Daumen, aber sie packte ihn direkt am Stamm und zog sich noch weiter hoch.
Zähne schnappten nach ihrem rechten Stiefel. Schreiend trat sie nach der Schnauze des Wolfs. Sie konnte sich kaum festhalten, und die Wolle ihrer Handschuhe zerriss.
Der Wolf fiel auf den Rücken, und hastig kletterte sie höher. Schließlich fand sie einen soliden Ast, auf dem sie stehen konnte. Sie schlang ihre Arme um den Stamm und hielt ihn fest umklammert.
Sie blickte nach unten. Fünf Wölfe – zwei schwarze, zwei graue und ein weißer. Der weiße war der größte, größer als jeder Hund, den sie jemals gesehen hatte. Er starrte sie aus klugen Augen an. Die Wölfe sprangen am Stamm hoch, und manche kamen bis kurz vor den Ast, auf dem sie stand.
Sie kletterte noch höher.
Nach einer Weile gaben die Tiere auf. Die schwarzen und der weiße Wolf legten sich in den Schnee, während die beiden grauen knurrend den Stamm umkreisten.
Devlin fand einen dicken Ast, auf den sie sich setzen konnte.
Nach fünf Minuten zitterte sie am ganzen Leib. Sie überlegte, ob sie die Pistole herausholen sollte, aber sie zitterte so sehr, dass sie bestimmt nicht richtig zielen und treffen konnte. Es hatte wieder begonnen zu schneien, und jetzt lagen alle Wölfe um den Fuß des Baumes. Von Zeit zu Zeit blickten sie zu ihr hinauf und winselten.
Devlin fror so sehr wie noch nie in ihrem Leben, und immer wieder übermannten sie heftige Hustenanfälle, bis ihre Kehle brannte.
Vom Himmel schüttete es förmlich.
Sie weinte.
Durch den
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