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Spur ins Eis

Spur ins Eis

Titel: Spur ins Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
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dafür kam der weiße Leitwolf wieder näher.
    »Ich habe keine Zeit für dieses blöde Spiel«, sagte er.
    Er folgte seinen Spuren auf den Hügel, und der weiße Wolf senkte den Kopf und wich immer weiter zurück. Will hörte, dass die anderen hinter ihm her kamen.
    Er erreichte den Gipfel des kleinen Hügels, aber statt der Wiese und dem Zelt sah er nur noch mehr Wald und weitere Fußspuren, die sich ziellos durch die Bäume wanden.
    Offensichtlich war er weiter gekommen, als er gedacht hatte.
    Langsam drehte er sich zu den Wölfen um, wobei ihm zum ersten Mal auffiel, dass sie Halsbänder trugen. Sie waren noch näher gekommen und knurrten ihn an. Will konnte ihre langen Fangzähne sehen.
    Nacktes Entsetzen stieg in ihm auf. Er sprang ihnen entgegen und schwenkte wild die Arme, aber sie wichen nur wenige Meter zurück. Der größte der schwarzen Wölfe, ein etwa hundertfünfzig Pfund schweres Männchen, rührte sich gar nicht von der Stelle, sondern starrte ihn aus seinen gelben Augen nur an. Zum ersten Mal sah Will, dass hinter den schwarzen auch noch zwei graue Wölfe lauerten.
    Du lieber Himmel ! Sechs Wölfe !
    Er begann zu laufen. Es hatte wieder angefangen zu schneien, und er glaubte, Donner zu hören, war sich aber nicht sicher, da sein Herz so laut schlug.
    Die Wölfe rannten jetzt neben ihm her und schnappten nach seinen Waden.
    Er blieb stehen, zielte auf den großen schwarzen Wolf und drückte ab.
    Der Schuss hallte durch den Wald, und die Wölfe rannten weg. Der, den er erschossen hatte, lag als schwarzes Fellbündel im Schnee. »Jagt lieber Elche !«, schrie Will ihnen nach.
    Er machte sich erneut auf den Weg, wobei er jeden Moment erwartete, aus dem Wald herauszukommen und auf die Wiese zu stoßen.
    Als er jedoch tatsächlich aus dem Wald heraustrat, blickte er auf das Ufer des schmalen Sees, dessen Wasser in der Dunkelheit aussah wie schwarzes Blut. Der innere See. An einem Ende floss ein Bach. Hoffentlich war das der Bach, an dem sie sich auf ihrer Wanderung orientiert hatten. Dann konnte er an ihm entlang zur Wiese, zu Devlin zurückgehen.
    Als er darauf zuging, hörte er erneut Geräusche. Er blickte über die Schulter. Fünf Schatten brachen aus dem Wald und rannten in enger Formation auf ihn zu.
    Es schneite wieder heftig, und der Mond verschwand. Die Welt war wieder pechschwarz geworden. Er konnte nichts sehen, aber er hörte sie kommen, und als ein Blitz über den Himmel zuckte, sah er sie – O Gott, so nahe . Er zielte auf den weißen Leitwolf, der keuchend angerannt kam. Die blaue Zunge hing ihm aus dem geöffneten Maul.
    Etwas rammte ihn von hinten, und durch die Wucht des Stoßes ging Will zu Boden und überschlug sich mehrmals. Er roch den scharfen Tiergeruch, aber dann erhob er sich, wie durch ein Wunder unverletzt.
    Ein weiterer Blitz erhellte die Szene, und er sah, dass die Wölfe ihn umkreisten. Knurrend schnappten sie nach seinen Beinen.
    Wieder wurde es dunkel. Die Pistole war ihm bei seinem Sturz aus der Hand gefallen, und jetzt hatte er nur noch die bloßen Hände, um sich zu verteidigen.
    Etwas biss ihn ins Bein, und er schrie auf – mehr aus Angst als aus Schmerz. Er war so vollgepumpt mit Adrenalin, dass er so gut wie gar nichts spürte. Mit ausgestreckten Händen drehte er sich in der gnadenlosen Dunkelheit und versuchte, die Wölfe, die nach ihm schnappten, abzuwehren.
    An der Mündung des Baches standen ein paar Schwarzfichten. Vielleicht kann ich ja auf einen Baum klettern, dachte er. Trotz der Schmerzen in seinen Beinen stapfte er durch den Schnee darauf zu.
    Mittlerweile donnerte und blitzte es. Im Schein eines Blitzes sah er, dass eine Fichte tief hängende Äste hatte. Ja, dachte er, ich klettere hinauf.

41
    Die Lodge, die es nicht gibt
    Devlin kroch aus ihrem Schlafsack und öffnete den Reißverschluss ihres Zeltes. Bitterkalte Luft drang scharf wie Säure in ihre Lungen. Die Wiese lag im Mondlicht. Der Schneefall hatte nachgelassen.
    Sie wusste nicht, wie lange sie sich in ihrem Schlafsack verkrochen hatte – eine Stunde, vielleicht zwei –, und obwohl sie sich nur so verhalten hatte, wie ihr Vater es ihr befohlen hatte, kam sie sich vor wie ein Feigling.
    Es war schon einige Zeit her, seit sie die Schüsse gehört hatte, und jetzt war alles still in den Wolverine Hills. Sie schnürte ihre Stiefel zu, schlüpfte in ihren Parka und nahm Handschuhe und Mütze aus dem Rucksack ihres Vaters. In Kalyns Rucksack fand sie die Pistole. Sie hatte zwar noch nie eine Waffe

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