Spur ins Eis
Stufen, die hinaufführten, waren tief verschneit, und sie wollte dort auch nicht hinaufgehen.
Ein weiteres Heulen zerriss die Stille, viel näher jetzt. Devlin blickte sich um. Beinahe erwartete sie, die Wölfe hinter sich aus dem Sturm auftauchen zu sehen.
Unter der Veranda war eine Öffnung. Erleichtert brachte sie sich vor dem Schneetreiben in Sicherheit. Auf dem trockenen Boden klopfte sie sich den Schnee vom Parka und der Hose.
Steinerne Stufen führten hinunter zu einer Holztür. Vorsichtig legte sie ihre behandschuhte Hand auf den Türgriff und drückte ihn langsam und vorsichtig hinunter. Quietschend öffnete sich die Tür. Sie war anscheinend schon lange nicht mehr in Gebrauch gewesen, die Türangeln waren ganz verrostet. Sie drückte sie weiter auf und trat ein.
Der Schwall abgestandener Luft, der ihr entgegenschlug, überwältigte sie. Da sie keine Taschenlampe dabeihatte, machte sie die Tür so weit auf, wie sie konnte. Es roch scharf und säuerlich nach Urin. Das Licht, das durch die offene Tür fiel, machte den Kellerraum auch nicht heller. Sie sah alte Werkzeuge und Gartengeräte an der Wand hängen – Sicheln und Macheten, eine Heugabel –, abgewetzte Ledersättel und Bärenfallen mit riesigen Metallzähnen. Eine schmiedeeiserne Treppe wand sich nach oben in die Dunkelheit. Links von sich entdeckte Devlin etwas, das ihr zu denken gab – große Metallkäfige, mit Wasserschüsseln und Knochenstücken, die auf dem schimmeligen Stroh lagen.
Immer noch zitternd vor Kälte drang Devlin weiter in den Keller vor. Am Fuß der Treppe blieb sie stehen und rüttelte leicht am Geländer. Es schien ganz stabil zu sein.
Langsam ging sie die Treppe hinauf, weg vom Gestank und Schmutz des Kellers. Bald schon befand sie sich in totaler Dunkelheit, eingehüllt in eine tiefe Stille. Sie kam sich vor wie im Nirgendwo.
Immer höher ging die Treppe, viel höher, als sie erwartet hatte. Dann war sie irgendwo angelangt, streckte die Hände aus und ertastete die raue Oberfläche einer Tür. Sie legte ihre Hände um den Türgriff.
Dass die Tür nicht verschlossen war, überraschte sie.
43
Devlin trat in ein Arbeitszimmer und schloss die Kellertür leise hinter sich. Im Raum war es herrlich warm. Im Kamin prasselte ein Feuer. Die Decke war mindestens vier Meter hoch, und die Bücherregale an den Wänden waren voller ledergebundener Bände. Ledersessel und Hocker standen um den Kamin herum. Auf einem Beistelltisch lag ein Humidor.
Das Feuer war fast heruntergebrannt. Devlin setzte sich an den Kamin, zog die Handschuhe aus und hielt ihre Hände in die Wärme. Nach und nach verlangsamte sich ihr Puls.
Sie blickte sich im Zimmer um. Eine Tür führte aus dem Arbeitszimmer heraus, vermutlich in den Rest der Lodge. Aus den Verandatüren an der hinteren Wand blickte sie auf die tief verschneite Veranda.
Ihre Schneehosen und der Parka raschelten viel zu laut, deshalb stand sie auf und legte sie neben die Kellertür. Ihr war warm, und ihr Drang zu husten schien verflogen zu sein.
Devlin trat zu der Tür, die aus dem Arbeitszimmer führte, und drückte einen Moment lang ihr Ohr daran. Alles war still, nur die Holzscheite im Kamin knackten leise. Leise zog sie die Tür auf. Der Raum, den sie betrat, war eine riesige Halle, vom Boden bis zur Decke fünfzehn Meter hoch, mit einem freistehenden Kamin in der Mitte. Der Boden war aus poliertem Steinzeug, und auf beiden Seiten erhoben sich freischwebende Treppen, die in die beiden Seitenflügel führten.
Ihre Schritte hallten, als sie die Halle durchquerte und die Treppe emporblickte. Ihr Blick fiel auf den Gang im Nordflügel, in dem Kerzen schimmerten. Über ihr und hinter ihr in den oberen Stockwerken des Südflügels hörte sie Geräusche – Schritte vielleicht.
Sie ging die Treppe hinauf. Das Knarren der Stufen hallte durch die große Halle.
Der Flur im dritten Stock war leer und totenstill. Beleuchtet wurde er von eisernen Wandlampen. Dicker Teppichboden verschluckte ihre Schritte, als sie an verschlossenen Türen mit Messingnummern vorbeiging.
Sie hatte etwa die Hälfte des Korridors hinter sich gelassen, als sie plötzlich bemerkte, dass sich unter jeder Nummer ein Guckloch befand. Vor allem eines zog ihre Aufmerksamkeit auf sich, weil Licht hindurch drang. Sie schlich zur Tür und legte ihr Ohr an das Holz. Sie konnte etwas hören, aber es war ein leiser, undefinierbarer Laut. Vorsichtig spähte sie durch das Guckloch und keuchte unwillkürlich auf.
Durch das
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