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Spur ins Eis

Spur ins Eis

Titel: Spur ins Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
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sie die Pistole, als die Schritte an ihrer Tür vorbeigingen.
    Sie blieb lange Zeit im Zimmer. Schließlich stand sie auf, trat an die Tür und lauschte. Stille. Anscheinend war der Flur leer.
    Sie öffnete die Tür und steckte den Kopf nach draußen. Es dauerte einen Moment, bis ihr wieder einfiel, wo sie war. Im zweiten Stock des Südflügels. In der Lodge war es im Moment still, deshalb schlich sie auf den Flur hinaus.
    An der Treppe warf sie einen Blick nach unten in die Halle. Ein mit einem Morgenmantel bekleideter Mann verschwand im Flur des Erdgeschosses.
    Devlin ging die Treppe hinauf zu dem einzigen Stockwerk, das sie noch nicht erkundet hatte – die dritte Etage des Südflügels. Von der Treppe aus sah sie den langhaarigen Mann mit dem Cowboyhut. Er ging mit seinem Gewehr im zweiten Stock des Nordflügels entlang, mit dem Rücken zu ihr.
    Der dritte Stock war leer.
    Sie schlich an jede Tür, blickte durch jedes Guckloch und merkte sich, welche Zimmer belegt und welche frei waren.
    Am Ende des Flurs war Zimmer 429, das letzte Zimmer auf der linken Seite vor dem Alkoven und der Treppe. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und blickte durch das Guckloch. Drinnen saß eine Frau auf dem Bett. Sie trug ein gelbes Nachthemd, ihre Haare waren lang und dunkel, aber in dem schwachen Licht konnte man die Farbe nicht genau erkennen. Sie hatte das Gesicht zum Fenster gewandt und schaute auf den Schnee draußen. Durch den dünnen Stoff ihres Nachthemdes konnte Devlin erkennen, dass die Frau schwanger war, vielleicht im fünften Monat. Ihr Gesicht war ein wenig aufgedunsen von der Schwangerschaft, und sie war blass, mit dunklen Schatten unter den Augen.
    Devlin zog scharf die Luft ein. Ihr stockte der Atem, und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
    Sie blickte auf ihre Mutter.

47
    Glühend
    Zuerst glaubte sie es nicht, dachte : Das ist bestimmt ein Albtraum oder eine Halluzination. Sie kann doch unmöglich noch am Leben sein. Jedenfalls hat Dad das doch gesagt. Aber sie war es, es gab keinen Zweifel. Devlin erkannte die großen schwarzen Augen, die Form ihres Mundes. Ihre Mutter sah nicht wütend oder traurig aus, wie Devlin vielleicht erwartet hätte. Nur älter, müde, erschöpft.
    Devlin wischte sich über die Augen und blickte sich um. Außer ihr war niemand im Flur. Sie klopfte an die Tür.
    Ihre Mutter blickte auf, blieb aber reglos auf dem Bett sitzen, als ob sie wartete.
    Devlin klopfte erneut, dann flüsterte sie : »Mom.«
    Rachael ließ nicht erkennen, dass sie etwas gehört hatte.
    Devlin klopfte noch einmal, und endlich erhob sich Rachael und kam zögernd auf die Tür zu.
    Devlin klopfte auf das Guckloch und trat ein paar Schritte von der Tür zurück, in der Hoffnung, dass ihre Mutter durch das Guckloch sehen würde.
    Zehn Sekunden vergingen, und dann hörte sie einen Laut hinter der Tür, der sich anhörte wie unterdrücktes Schluchzen.
    Devlin rannte zum Guckloch, und als sie hindurchblickte, sah sie ihre Mutter weinend am Boden liegen.
    Sie rannte den Gang entlang und rüttelte an Türen, bis sie schließlich einen unverschlossenen, unbesetzten Raum fand. Dort riss sie alle Schubladen auf, bis sie auf ein Notizbuch stieß. Sie riss eine Seite heraus und wartete einen Moment, bis sich ihr heftiges Zittern so weit gelegt hatte, dass sie schreiben konnte.
    Mom, ich bin mit Dad und einer FBI -Agentin nach Alaska gekommen, um nach dir zu suchen. Ich kann sie nicht finden. Sind sie hier ? Irgendwie bekommen wir dich hier heraus. Ich liebe dich. Wir haben dich nie vergessen.
    Devlin rannte zurück zu Zimmer 429 und schob den Zettel unter der Tür durch.
    Rachaels Schultern bebten immer noch, und sie musste sich ständig über die Augen wischen. Sie setzte sich aufs Bett und kritzelte eine Antwort auf den Zettel. Dann kam sie zurück zur Tür und schob den Zettel Devlin zu.
    Devlin musste sich unter eine Lampe stellen, um die krakelige Handschrift ihrer Mutter zu entziffern. Es sah so aus, als ob sie seit Jahren nichts mehr geschrieben hätte.
    Geh hier weg. Versuch auf keinen Fall etwas auf eigene Faust. Bring dich in Sicherheit und suche Hilfe. Ich liebe dich so sehr.
    Devlin hockte sich auf den Boden und schrieb :
    Draußen ist Schneesturm, und hier sind Wölfe. Unser Pilot kommt erst morgen zurück.
    Rasch schob sie das Papier wieder zurück. Rachael ergriff es und drückte es flach gegen die Tür, während sie ihre Antwort schrieb.
    Als Devlin es ergriff, hörte sie Schritte.
    Schreckliche Leute hier.

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