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Spur ins Eis

Spur ins Eis

Titel: Spur ins Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
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Sie dürfen dich nicht finden. Geh in ein leeres Zimmer und bleib dort, bis du gehen kannst. Du musst auf mich hören. Ich liebe dich. Und jetzt geh.
    Die Schritte kamen die Treppe von der Halle herauf. Devlin schrieb rasch »Ich liebe dich« auf den Zettel und hielt ihn vor das Guckloch. Dann lief sie in den Alkoven und drei Stufen die Treppe herunter. Dort blieb sie erst einmal stehen.
    Über diese Treppe kamen jetzt auch schnelle Schritte herauf. Sie klickten auf den Holzstufen wie die Krallen an Hundepfoten.
    Voller Panik rannte sie wieder zurück und schlüpfte in das leere Zimmer, das sie sich vorhin gemerkt hatte. Es befand sich schräg gegenüber vom Zimmer ihrer Mutter.
    Sie zog die Tür zu und blickte durch das Guckloch.
    Ein langer schwarzer Schatten lief vorbei.
    Fünf Sekunden später kehrte er zurück, winselte und schnüffelte an ihrer Tür.
    Ein Mann kam in Sicht – die große Wache mit den langen Haaren und dem Cowboyhut. Er tätschelte dem Wolf den Kopf, kniete sich hin und ließ sich von dem Tier über den Hals lecken.
    Dann kam ein weiterer Mann in Sicht – klein und rundlich, in einem grünen Kimono und Schlappen. Er trug ein rotes Band um den linken Arm, wie Ethan es allen empfohlen hatte.
    Der große schwarze Wolf setzte sich hin und beäugte den Mann aufmerksam.
    »Hey, Reynolds«, sagte der Wachmann. »Schön, Sie wiederzusehen.«
    »Dito, Gerald, dito. Würden Sie mir bitte zeigen, wo die schwangere Frau ist, die Ethan heute Morgen erwähnt hat ?«
    »Aber sicher, hier entlang.«
    Die Männer und der Wolf gingen in Richtung Alkoven, und Devlin hörte den Wachmann sagen : »Sie ist in 429. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen, mein Freund.«

48
    Devlin stand vor Zimmer 429. In der rechten Hand hielt sie die Pistole.
    Reynolds Stimme war so hoch, dass sie ihn mühelos durch die Tür verstehen konnte. »Zieh das sofort aus und setz dich. Weißt du, wie viel Geld ich dieses Jahr verdient habe ?«
    »Wie viel ?«
    Das Klatschen einer Hand war zu hören. »Wag es nicht, mir Fragen zu stellen. Vierundachtzig Millionen. In einem Jahr. Macht dich das nass ?«
    Devlin glaubte Schritte von der Treppe am anderen Ende des Flurs zu hören und huschte in den Alkoven, um sich zu verstecken, aber niemand kam.
    Als sie wieder an die Tür trat, quietschten die Bettfedern, und Reynolds gab Laute von sich.
    Mit gepresster Stimme sagte er : »Du kannst ruhig stöhnen oder so.«
    Ihre Mutter stöhnte.
    »Weißt du, dass ich dich töten könnte, wenn ich wollte ?«, sagte er atemlos.
    Devlin wischte sich die Tränen aus den Augen, damit sie etwas sehen konnte. In dem Moment, als sie durch das Guckloch blickte, wünschte sie sich, sie hätte es nicht getan. Sie würde den Anblick des kleinen, dicken Mannes, der auf ihrer Mutter lag, nie vergessen können. Tiefe Wut stieg in ihr auf, und erneut füllten sich ihre Augen mit Tränen.
    Sie legte ihre Hand auf den Türknopf und drehte ihn. Der Raum war nicht verschlossen.
    In der letzten Sekunde jedoch besann sie sich eines Besseren. Natürlich konnte sie den Mann jetzt erschießen, aber der Schuss würde das gesamte dritte Stockwerk aufschrecken. Sie konnte sich nicht bis zum Abend verstecken und dann zum Zelt zurücklaufen, um auf ihren Buschpiloten zu warten. Kurzfristig würde sie ihrer Mutter zwar helfen, aber danach würden sie wahrscheinlich alle getötet werden.
    Devlin nahm die Hand vom Türknopf und lehnte sich an die Wand neben die Tür.
    Sie vergoss stumme Tränen und betete, dass es ihrer Mutter gelingen möge, sich an einen anderen Ort und in eine andere Zeit zu träumen – an ihre Hochzeit, einen Familienurlaub oder an das Weihnachtsfest, das sie vor acht Jahren auf Tahiti verbracht hatten.

49
    Als Reynolds mit ihrer Mutter fertig war, schlich Devlin zurück ins Zimmer 420 und schloss sich ein.
    Stundenlang hockte sie dort zusammengekauert in einer Ecke, wo man sie durch das Guckloch nicht sehen konnte, und beobachtete, wie der graue Himmel immer blasser wurde, bis schließlich die Dunkelheit hereinbrach. Sie hatte Hunger und Durst. Sie betete für Kalyn, für ihren Vater und ihre Mutter, und allein das Wissen, dass Rachael nur ein paar Türen weiter war, brachte ihr Trost.
    Als es dämmerte, beschloss Devlin, dass sie die Lodge jetzt verlassen und zum Zelt zurückgehen würde.
    Sie stand auf und trat ans Fenster. Es schneite immer noch, und draußen war es grau und trüb. Der Wind trieb Wellen über den See, die ans Ufer schlugen.
    Devlin trat an die

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