Spur ins Eis
Kalyn. »Komm, wir beruhigen sie.« Kalyn wollte an ihm vorbei zum Gewehr, aber Will packte sie am Arm.
»Dad !«
»Wohin willst du ?«, fragte er. »Devlin steht dort drüben.«
»Vertraust du mir, Will, oder nicht ?«
Er lächelte kläglich. »Natürlich. Nimm das Gewehr. Du kannst besser damit umgehen als ich.«
»Lässt du meinen Arm los ?« Kalyn erwiderte sein Lächeln.
»Oh ja. Entschuldigung.«
»Nein, Dad«, schrie Devlin.«
»Es ist schon in Ordnung, Liebes. Ich glaube, du bist nur ein bisschen durcheinander.«
»Ich bin nicht durcheinander.« Als Will auf seine Tochter zuging, trat Kalyn zum Gewehr.
Er fuhr herum und sah, wie sich Kalyn nach der Waffe bückte. Er versetzte ihr einen solchen Stoß, dass sie zu Boden stürzte. Will ergriff das Gewehr.
» Was zum Teufel ist los mit dir ?«
»Wenn ich mich irre, entschuldige ich mich«, sagte Will. »Steh langsam auf, mit erhobenen Händen.«
»Will, ich kann erklären …«
»Vielleicht. Vielleicht lachen wir uns später ja alle kaputt. Geh zur Bibliothek. Devlin, wir kommen in deine Richtung.«
Devlin trat zurück in die Bibliothek.
»Warum vertraust du mir nicht ?«, fragte Kalyn.
»Ich sage nicht, dass ich dir nicht vertraue. Wir werden das klären.«
In der Bibliothek zog Will die Tür hinter sich zu.
»Sie hat möglicherweise eine Pistole oder so, Dad.«
»Kalyn, setz dich in die Ecke und leg deine Hände auf die Knie.
Devlin saß in Decken eingehüllt am Kamin und warf Kalyn finstere Blicke zu.
Will richtete das Gewehr auf Kalyn, die sich ans Bücherregal gesetzt hatte.
»Devlin«, sagte er, »was ist hier los ?«
»Ich war seit heute Morgen hier in der Lodge, um nach dir zu suchen. Den ganzen Tag über habe ich aufgepasst, dass niemand mich erwischte. Und dann hat Kalyn mich gefunden. Sie hat mich nach oben gebracht. Ich dachte, wir wollten uns hinausschleichen, aber stattdessen ist sie mit mir zu einem Mann namens Paul gegangen. Sie wollte mich eintauschen.«
Kalyn sagte : »Will, bitte …«
»Halt den Mund. Gegen was eintauschen, Devlin ?«
»Gegen ihre Schwester, Lucy. Sie halten die Frauen hier gefangen.«
»Warum ?«
»Für die Gäste. Damit sie Sex mit ihnen haben können. Sie dürfen sie sogar töten, wenn sie wollen.«
»Wo ist Paul jetzt ? War er einer der Männer, die ich …«
»Ich habe ihn erschossen.«
»Oh, Süße …«
»Er wollte mir wehtun. Ich hatte keine andere Wahl.«
Will starrte Kalyn an.
»Du kennst mich doch, Will.«
»Nein, ich kenne meine Tochter. Du bist im Moment ein riesiges Fragezeichen für mich.« Will trat auf sie zu. Er musste gegen die Mordlust, die in ihm aufstieg, ankämpfen.
Kalyns Augen füllten sich mit Tränen, und sie wischte sich übers Gesicht.
»Hast du das von Anfang an so geplant ?«, fragte Will.
»Nein.«
»Wolltest du uns benutzen, um hierher zu gelangen, und dann meine Tochter gegen deine Schwester austauschen ? Hattest du das vor ?«
»Nein. Sie haben mich erwischt. Ich hätte nie zugelassen, dass sie dich oder Devlin festhalten. Ich hätte …«
»Ich sollte dich auf der Stelle töten«, sagte Will.
»Wir sperren sie ein, Dad. In eines der Zimmer.«
»Haben wir einen Schlüssel ?«
»Ich weiß, wo du einen herbekommst.«
»In Ordnung, aber in der Zwischenzeit …«
Er schlug Kalyn mit dem Gewehrlauf gegen den Kopf.
55
Will und Devlin verließen die Bibliothek, in der Kalyn bewusstlos auf dem Boden lag. Sie wandten sich in den von Kerzen nur spärlich beleuchteten Durchgang. Die Leichen lagen zum Glück so, dass man sie in der Dunkelheit kaum sehen konnte.
»Bleib ein Stückchen zurück, Dev«, sagte Will. »Du musst ja nicht unbedingt zuschauen.«
»Okay, Dad. Ich glaube, jeder der Gäste hat einen Generalschlüssel, mit dem man alle Zimmer aufschließen kann.«
»Und das Speisezimmer ist da vorne links ?«
»Ja.«
»Schrei, wenn du mich brauchst.«
Will bewegte sich vorsichtig an den Männern vorbei, die er erschossen hatte.
Das Speisezimmer wurde von drei großen Fackeln erhellt. Der Tisch war übersät von Karten, Pokerchips, Bargeld, Weingläsern, Schnapsgläsern, Wein- und Likörflaschen und zwei großen Eiskübeln, die im Feuerschein schimmerten.
»Ist hier jemand ? Ich tue Ihnen nichts, wenn Sie herauskommen.«
Er trat ans Tischende. Es roch nach Zigarren und Marihuana, nach verschüttetem Alkohol und dem Lakritzgeruch von Absinth.
Ein paar Meter entfernt lag eine dunkle Gestalt neben einer großen Kübelpflanze. Wills Finger legte
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