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Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman

Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman

Titel: Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Temple
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er hier vorbei und hat gesagt, mit diesem Blick im Gesicht, also er hat gesagt: ›Mir reicht's, die Polizei ist total korrupt, da will ich nicht mitmachen, ich bin ausgetreten.‹ Ich dachte, er wäre ein Held. Serpico. Haben Sie den Film Serpico mal gesehen? Über den anständigen Cop?«
    Ich nickte.
    »Der Mistkerl ist Serpico mit umgekehrten Vorzeichen.«
    »Wissen Sie das?«
    »Das sagen zumindest die anderen Cops. Nachdem ich Gary rausgeschmissen hatte, tauchten auf einmal all diese netten Cops aus der Russell Street bei mir auf, die sich um mein Wohlergehen sorgten, verstehen Sie, nicht, weil sie was von mir wollten, sondern einfach nur, um zu sehen, ob alles in Ordnung ist. Eigentlich aber doch nur auf der Suche nach einem schnellen Fick. Diesen Helden zufolge hatte sich Gary mit irgendwelchen wirklich üblen Leuten eingelassen und hätte schon viel früher rausgeschmissen werden sollen.«
    »Kennen Sie die Einzelheiten?«
    »Hab nie danach gefragt. Hat mich nicht interessiert.«
    »Wie viel Zeit lag zwischen seinem Ausscheiden bei der Polizei und Ihrer Scheidung?«
    »Ungefähr ein Jahr: 1984.«
    »Und bis dahin hatten Sie nichts von diesen Geschichten gehört? Also haben Sie aus anderen Gründen Schluss gemacht?«
    Sie lehnte sich zurück, reckte das Kinn hoch. »Das könnte man so sagen. Ja, andere Gründe. Ich hatte mich schon damit abgefunden, herumgestoßen und geschlagen zu werden. Keine Ahnung warum. Grund zwei, er hat meine kleine Schwester gefickt. Wie ich das rausgefunden hab? Sie hat's mir erzählt. Warum sie das gemacht hat? Grund drei. Sie war sehr, sehr verstört. Sie ist ins Zimmer gekommen, als er meine Mutter gefickt hat.«
    Ich nickte. Die anwaltliche Tätigkeit lehrt einen, dass manche Dinge nicht kommentiert werden sollten.
    »Was hat er gearbeitet, nachdem er bei der Polizei ausgeschieden war?«
    »Hat für ein Transportunternehmen gearbeitet. Sicherheitsdienst. Was können Ex-Cops sonst auch groß machen? Entweder das, oder Drogen dealen oder bewaffnete Raubüberfälle.«
    »Erinnern Sie sich noch an den Namen des Unternehmens?«
    »TransQuik. Die waren damals noch viel kleiner.«
    Jedes Mal, wenn man um eine Kurve bog, schien man hinter einem TransQuik-Lastwagen zu landen.
    »Wissen Sie, wie lange er da war?«
    »Zumindest war er immer noch da, als ich ihm den Koffer mit seinem Krempel vor die Tür gestellt hab.«
    »Gut«, sagte ich, »jetzt hab ich einen ersten Eindruck von Gary.«
    Judy lächelte resigniert. »Ich wünschte, ich hätte diesen ersten Eindruck von dem Scheißkerl schon bekommen, bevor ich ihn geheiratet hab. Nur aus Interesse, wo wohnt er denn jetzt?«
    »Toorak. Sehr schickes Apartment. Fährt einen Audi.«
    »Meine Güte«, sagte sie. »Und ich sitz immer noch in Richmond mit einem klapprigen Corolla. Ich hoffe, Sie finden den Mistkerl. Ich fürchte, es besteht keine Chance, dass er dafür in den Knast geht?«
    »Nein. Sie wissen nicht zufällig irgendwas über seine zweite Frau, oder?«
    Zwei weitere Kunden kamen herein. »Doch, schon. Muss jetzt arbeiten«, sagte Judy und stand auf. »Eine Freundin von mir geht zu einem Frisör in der Little Collins Street, UpperCut heißen die, wird von diesen beiden Pommies geleitet, ausgebildet bei Vidal Sassoon und so 'n Müll. Jedenfalls sagt der eine Pom eines Tages, dass Chrissy, sein bestes Mädchen, diese Schlampe, heiraten will. Ein echter Volltreffer, ein göttlicher Mann, sagt er. Gary Connors heißt er. Wie er aussieht? Es ist Gary.«
    Ich sagte: »Chrissy. Wann war das ungefähr?«
    Sie blies die Wangen auf und atmete hörbar aus. »Ungefähr fünfundachtzig. So um den Dreh. Sie stammt anscheinend aus einer Sozialsiedlung, Broadmeadows. Nicht, dass das irgendwie wichtig wär.«
    »Sie waren mir eine große Hilfe, Judy. Vielen Dank.«
    Sie berührte meinen Arm. »Grüßen Sie Des von mir. Sagen Sie ihm, er kann jederzeit kommen, wenn ihm nach Lunch ist. Das Taxi geht auf mich.«
    »Ich sag's ihm. Der freut sich ein Loch in den Bauch.«
    Draußen war die Sonne verschwunden, und ein kalter, unerbittlicher Wind blies durch die Stadt. Ich ging zur Collins Street, das Kinn eingezogen, und dachte über Gary nach. Wenn er seinen Vater betrügen konnte, dann hatte er es sich wahrscheinlich zur Gewohnheit gemacht, auch anderen Leuten Geld aus der Tasche zu ziehen. Die anderen Opfer waren vielleicht weniger passiv als Des. Gary war bestimmt auf der Flucht. Das bedeutete wahrscheinlich, dass Des' Geld längst Geschichte war,

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