Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman
doch das würde man erst wissen, wenn Gary gefunden war. Ich rechnete mir keine großen Chancen aus.
Im Büro fand ich die Kassenzettel, die ich aus Garys Küche mitgenommen hatte. Der jüngste stammte aus einem Getränkeladen in Prahan. Am 3. April hatte Gary einen Kasten Bier und sechs Flaschen Wein gekauft und einem Angestellten namens Rick 368,60 Dollar dafür bezahlt.
Kunden bauten Beziehungen zu ihren Lieferanten auf. Lieferanten pflegen sehr gern Beziehungen zu Kunden, die für eine Kiste Bier und sechs Flaschen Wein 368,60 Dollar bezahlen.
Ein Anfang.
ary Connors Alkoholquelle lag in der Nähe des Prahran Market und war eher eine Weinhandlung als ein Schnapsladen. An der Registrierkasse lächelte mich ein geschniegelter junger Mann an: weißes Hemd, blauer Schlips, langer dunkelgrüner Kittel. Ich zeigte ihm einen der Belege.
»Mr. Connors. Wir haben zwei Connors. Einer ist ziemlich alt.«
Ich sagte: »Er war am dritten April bei Ihnen, hat sechs Flaschen Petaluma Chardonnay gekauft und eine Kiste Heineken.«
»Polizei?«
»Nein. Ich vertrete seinen Vater. Mr. Connors Junior scheint verschwunden zu sein.«
Er nahm das sehr ernst und runzelte die Stirn. »Rick meint, an dem Tag wäre ein Typ hinter Mr. Connors her gewesen.«
»Rick?«
»Arbeitet hier. Er ist hinten.« Er ging nach hinten, öffnete eine Tür und rief den Namen, dann kam er zurück. Ein hochaufgeschossener junger Mann erschien in der Tür; Pubertäts-Haut, kurzgeschorenes Haar, grüner Kittel über Jeans und weißem T-Shirt.
»Rick, Mr. Connors, der, den du in Toorak belieferst?«
»Ja?«
»Wegen dem Typen, der ihn verfolgt hat.«
Der Junge kam ein paar Schritte näher, blieb stehen, schnaufte, wischte sich die Nase mit dem Handrücken ab. Sein Blick wirkte intelligent. »Ich war bei Ronni's. An der Ecke. Hab gesehen, wie Mr. Connors auf dem Parkplatz aus dem Auto gestiegen ist.«
»Erinnern Sie sich noch an das Auto?«
»Klar. Grüner Audi. Hab schon früher 'ne Menge Zeug zu dem Wagen getragen. Egal, er geht über die Straße und kommt hier rein. Dann parkt ein Kerl, blauer Commodore, parkt falsch auf dem Schraffierten, deshalb ist er mir aufgefallen. Ist ein Witz hier in der Gegend – ungefähr eine Million Tickets pro Jahr genau an der Stelle. Er springt raus, dann geht er so ganz beiläufig, als wollte er nur 'nen Schaufensterbummel machen, um die Ecke. Und bleibt da drüben stehen.«
Rick zeigte auf die andere Straßenseite. »Sehen Sie den Buchladen da? Er guckt ins Schaufenster, guckt über die Schulter. Dann geht er rein, und ich kann sehen, wie er zum Fenster rausguckt. Und da steht er dann, bis Mr. Connors mit Sticks wieder rauskommt.«
»Sticks?«
»Ein anderer Kerl, der hier arbeitet. Der trägt das Zeug zum Wagen. Als sie unten an die Ecke kommen, kommt der Typ wieder aus dem Buchladen und geht schnell die Straße entlang, kein Schaufenstergucken mehr. Aber nicht schnell genug, der Cop steckt ihm gerade das Ticket unter den Scheibenwischer. Er steigt ein, zieht nicht mal das Ticket raus. Als Mr. Connors vom Parkplatz fährt, macht er einen U-Turn und fährt hinter ihm her.«
»Wie sah er aus?«
»Irgendwie durchschnittlich. Wie ein Geschäftsmann. Anzug. Dunkle Haare, nicht lang. Kleines Hinken.«
»Hinken?«
»Ja. Nicht viel. Vielleicht ein entzündetes Knie, so was.«
Ich fand einen Zehndollarschein. »Danke, Rick. Ich werde bezahlt, also sollen Sie auch bezahlt werden.«
Er sah seinen Boss an, nahm den Schein, nickte und ging.
»Danke für Ihre Hilfe«, sagte ich zu dem Mann hinter dem Tresen.
»Kein Problem.«
»Ach, übrigens, hat Mr. Connors mal mit anderen Kunden geredet? Man lernt die Leute doch kennen in einem Spirituosenladen, oder?«
»Sicher. Aber ich hab Mr. Connors' Kumpel schon eine Weile nicht mehr gesehen.«
»Welcher Kumpel wäre das?«
»Mr. Jellicoe. Die haben immer da hinten ein Schwätzchen gehalten, da, wo die guten Weine sind.«
»Regelmäßig?«
»Von Zeit zu Zeit, ja. Alle zwei, drei Wochen. Mr. Connors kam oft auch, wenn Mr. Jellicoe nicht hier war. Aber wenn Mr. Jellicoe da war, dann konnte man drauf wetten, dass Mr. Connors bald hinterherkam.«
»Sie hätten nicht zufällig eine Adresse von Mr. Jellicoe, oder?«
Zweifelnder Blick. »Eigentlich darf ich Ihnen die nicht geben. Man soll keine Kundenadressen rausgeben.«
»Ich möchte ja nur nach Gary fragen«, sagte ich. »Wir machen uns große Sorgen um ihn. Sein Vater würde Ihre Hilfe sehr zu schätzen wissen.
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