Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman
einfach nicht in mir finden, Jack. Alles, woran ich denken kann, ist, dass meine Kohle futsch ist. Mach's gut, Haus.«
Ich lehnte mich über das Tor, packte seinen linken Arm. »Selbst wenn die Kohle futsch ist, Des, bleiben Sie hier in diesem Haus. Raus mit den Füßen voran. In ungefähr fünfzig Jahren.«
Er blinzelte ein paar Mal. »Ehrlich, jetzt?«
»Ich gebe Ihnen mein Wort, reicht das?«
Er sah mich an, seine Augen glänzten ein wenig feucht. »Schätze schon«, sagte er. »Bill Irishs Junge.«
Dinge, die wir uns selbst aufbürden.
Ich verbrachte den Tag mit der Bibliothek für Mrs. Purbrick und schnitt Zapfenlöcher. In dieser Werkstatt gab es keinen hohlen Lochbeitel. Eine Standbohrmaschine, ja. Charlie hatte nichts dagegen, wenn Amateure wie ich den größten Teil des Abfallholzes mit der Standbohrmaschine herausholten, aber er konnte die ganze Sache wesentlich schneller mit einem Beitel erledigen, einem Stück Stahl, das dermaßen geschärft war, dass man damit Spänchen von einem Fingernagel abschälen könnte.
Früher einmal hatte Charlie mir gezeigt, wie man die Standbohrmaschine bediente, um das überschüssige Holz in einem Zapfenloch schneller loszuwerden. Aber manches spürt man. Es war nicht unbedingt, dass er nicht wollte, dass ich die Standbohrmaschine benutzte. Er zeigte einfach nur keinerlei Begeisterung dafür. Einige Maschinen liebte er. Er liebte die Tischsägen, liebte die riesige Hobelmaschine, der er hin und wieder einen Klaps gab, wie ein Mann einen Hintern tätschelt, ein inkorrekter Mann, der einen weiblichen Hintern tätschelt, mit einem Hauch von Begehren.
Die unausgesprochene Botschaft lautete, dass jemand, der die Arbeit ernst nahm, einen Beitel benutzte, um Zapfenlöcher zu stemmen. Und wenn man spürte, wie das trockene, fein gemaserte Holz der Klinge nachgab, dann stimmte man dem zu.
Wir aßen vor dem Ofen zu Mittag. Mein durchweichtes Salatsandwich stammte aus einem Laden unten in der Straße. Charlie hatte Cornedbeef, Senf, selbstgemachtes Sauerkraut und Brot, das der Ehemann einer seiner Enkeltöchter selbst buk, ein Börsenmakler, der Martin Irgendwas hieß und auf Bergbauaktien spezialisiert war. Charlie brachte mir von Zeit zu Zeit einen halben Laib mit. Es war ein Sauerteigbrot aus Roggen, fest, herzhaft, genau das, was man von einem reichen Harvard-MBA erwarten würde, der in seiner Küche zur Entspannung Brot buk. Am Sonntag wieder Kontakt zur Erde aufnehmen. Am Montag zurück an die Arbeit und den Planeten ruinieren.
»Sechs Spritzen lagen heute draußen«, sagte Charlie. »Was ist nur aus der Welt geworden? Kinder. Dürfen nicht rauchen, also stechen sie sich Nadeln in die Arme. Und wer ist daran schuld? Das frag ich dich.«
»Die Schuldfrage«, sagte ich. »Die wird auch im Radio immer viel gestellt. Und in den Zeitungen. Eine sehr gute Frage. Kann aber auch eine sehr dumme Frage sein.«
Charlie dachte eine Weile darüber nach und starrte dabei auf das letzte Stück Brot in seiner riesigen Hand. »Die Menschen machen ihre eigene Geschichte«, sagte er schließlich. »Aber nicht unter Umständen, die sie selbst gewählt haben. Karl Marx.«
»Ja?«
»Also kann man manches der Vergangenheit anlasten, anderen Leuten in die Schuhe schieben, aber manches auch nicht.«
»Hört sich gut an«, sagte ich und warf mein Sandwichpapier ins Feuer. »Und wie kriegt man raus, was was ist?«
»Durch Nachdenken«, antwortete Charlie. »Viel nachdenken.«
Er stand auf, deutete eine Bowlingbewegung an und ging fort, in Gedanken schon bei der freudigen Aussicht, den Teenies im Bowling-Club eine weitere Demütigung zuteil werden zu lassen.
Es wurde draußen schon dunkel, bevor ich alle Zapfen geschnitten, die Stücke probeweise zusammengesetzt und zum Leimen fertig hatte. Auch wenn Charlie mindestens zehn gute Gründe dafür hatte, mit dem Leimen nicht mehr gegen Ende eines Arbeitstages zu beginnen, liebte ich es, morgens in die Werkstatt zu kommen und die Zwingen von einem Werkstück abzunehmen.
Morgen leimen? Nein.
Für dieses Stück brauchte ich kalten Hautleim. Man war darauf angewiesen, dass der Leim langsamer trocknete, falls etwas schiefging. Ich legte mir die Stücke auf dem niedrigen Montagetisch zurecht, benutzte drei Pinsel, um den Leim aufzutragen, arbeitete stetig. Dann steckte ich alles ineinander, schob Kanten zusammen, setzte die Zwingen an, fünfzehn kurze und sechs lange Spreizzwingen, wobei kein Metall ans Holz geraten durfte. Als Nächstes kam das
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