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Spur nach Ostfriesland

Spur nach Ostfriesland

Titel: Spur nach Ostfriesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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und war weiter ihrer Arbeit nachgegangen. Glück gehabt. Und das wollte er nicht überstrapazieren. Also würde er jetzt nach Hause fahren.
    Schon am Samstagabend war er zum ersten Mal hier gewesen. Hatte zunächst mit einem der Ärzte gesprochen, der seine Identität nicht angezweifelt und bereitwillig Auskunft über ihren Zustand gegeben hatte. Nicht gut. Es bestand durchaus die Chance, dass sie den Sturz nicht überlebte. Er würde vorläufig darauf vertrauen und sich telefonisch über die Entwicklung auf dem Laufenden halten. Zur Not müsste er am nächsten Wochenende wiederkommen. Vielleicht wäre die Bewachung dann nachlässiger oder ganz eingestellt.
    Bis jetzt nahm der Beamte seine Aufgabe extrem ernst. Er hatte ihn nur in seinem Beisein zu ihr gelassen und war nicht ein Mal von der Seite ihres Bettes gewichen. Gestern hatte er drei Stunden dort ausgeharrt, einen Haufen Unsinn geredet, angebliche Kindheitserinnerungen hervorgekramt und schwer gehofft, dass der Kerl mal aufs Klo müsste oder wenigstens, von seinem Gelaber eingelullt, wegdösen würde, aber nichts da. Er hatte sich das ganze Zeug mit unbewegter Miene angehört und ihn schließlich hinauskomplimentiert.
    Er schloss die Tür seines Leihwagens auf, entfernte Bart, Brille und das Kissen, das er unter Hemd und Pullover geschoben hatte, und stopfte alles in den Rucksack. Er betrachtete sich im Rückspiegel. Nur die Haarfarbe war scheiße, das Grau machte ihn alt, und bevor er aus dem Hotel auscheckte, musste er nochmals ans Färben.
    ***
    Er könnte sich daran gewöhnen, gefahren zu werden, dachte Paul Zinkel träge, während er unverwandt die vorbeifliegende Landschaft betrachtete, Felder, aus deren Schneedecken hier und da ein Hügelchen Erde hervorspitzte, wie um kundzutun, dass der Winter irgendwann vorbei sein würde, Bäume, die ihr nacktes Schwarz kühn zur Schau trugen. Ein Vogelschwarm hielt flatternd die Geschwindigkeit des Fahrzeugs, schon erkannte er die Gänse an ihrem Flügelschlag, und wieder geriet er ins Träumen und verlor sich im eisblauen Himmel.
    Gestern hatten sie den versäumten Ausflug ins Bremerhavener Klimahaus nicht nachholen können, was die Mädchen wortreich beanstandet hatten. Stattdessen waren Lübben und er in Inkas Wohnung gewesen. Die Spurensicherung war abgeschlossen, der Zwischenbericht der KT enthielt keine nennenswerten Ergebnisse. Der Täter musste Handschuhe getragen haben, fremde Fingerabdrücke jedenfalls waren nicht sichergestellt worden, nicht mal auf dem Umschlag aus dem Fahrstuhl. Die Auswertung von zwei Fremdhaaren und diversen Faserspuren würde noch dauern, ebenso die der Kleidung des Opfers, da diese durch den Einsatz der Rettungskräfte kontaminiert sei. So hatten sie denn die Wohnung durchforstet.
    Inka blieb auch danach seltsam konturlos. Die Einrichtung war teuer und durchaus geschmackvoll, entbehrte jedoch jeder persönlichen Note, abgesehen von zwei prall gefüllten Bücherregalen. Ihre bevorzugte Lektüre mochte ja durchaus etwas über sie aussagen, aber Erinnerungsstücke, wie jeder sie hat, das kitschige Urlaubsandenken beispielsweise, oder Großmutters hässliche Vase, die dekorativen Geschenke, die allein dem Geschmack des Schenkenden entsprachen und dennoch ihren Platz bekommen mussten, all das fehlte.
    Im Flur hing ein einziges Foto, das sie mit ihrem Zahnarzt zeigte, und man sah ihr an, dass sie sich nicht gern hatte ablichten lassen, es vielleicht nur aufgehängt hatte, weil man das eben so machte. Sie fanden keine Fotoalben oder Tagebücher, weder in Papierform noch auf ihrem Computer. Sie war nicht bei Facebook oder einem anderen sozialen Netzwerk, und ihre E-Mail-Korrespondenz beschränkte sich aufs rein Berufliche und die sehr gelegentliche Verabredung mit Hafner. Sie hatten gehofft, Aufzeichnungen über ihre Fortbildung und die Entführung zu finden, wäre doch ein probates therapeutisches Mittel, um damit fertig zu werden, aber es gab rein gar nichts, was ihnen den kleinsten Hinweis hätte liefern können.
    Am Abend hatte Zinkel die Familie zum Pizzaessen eingeladen, und danach hatten sie eine beträchtliche Sammlung an Gesellschaftsspielen durchgeackert, kein leichtes Unterfangen, da er kaum eines der Spiele gekannt hatte und ihm unter viel Gelächter die Regeln hatten beigebracht werden müssen. Ungewohnter Familienanschluss, auch daran könnte er sich gewöhnen.
    Jetzt waren Lübben und er unterwegs nach Oldenburg, um die Teilnehmer der vom Energieunternehmen angebotenen

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