Spur nach Ostfriesland
vorgefallen ist, bis hierher gedrungen. Apropos, ich geh mal raus, sprich laut, ja?«
Zinkel trat auf den Flur. Niemand zu sehen. Er lauschte. Nichts zu hören, nicht mal, als er ein Ohr an die Tür legte. Er ging wieder hinein. »Falls der Raum nicht abgehört wird, sind wir unter uns.« Er musterte skeptisch die Wandvertäfelung. Ohne schweres Gerät würde er ein Mikro kaum entdecken.
Lübben grinste, fiel auf die Knie und spähte unter den Tisch. »Nix«, sagte er und rappelte sich wieder auf.
Es dauerte kaum drei Minuten, bis es forsch klopfte. Gleich zwei verdächtig identisch wirkende Möchtegern-Manager von Anfang dreißig drückten sich auf gleicher Höhe zur Tür hinein.
»Wenn Sie sich einigen würden«, bat Zinkel und verfolgte, wie sie sich mit Augenbewegungen darauf verständigten, wer zu warten hatte. »Ihr Name?«, erkundigte er sich, sobald einer der Klone verschwunden war, und deutete auf den Platz am Kopfende des Tisches.
»Heiko Wesseling.«
Zinkel hakte den Namen auf der Liste ab und klärte die Präliminarien.
»Erzählen Sie von der Fortbildung im November«, forderte Lübben ihn sodann auf.
»Da gibt es nichts zu erzählen«, behauptete Wesseling und unterstrich seine Worte mit einer Kopf-ab-Geste seiner feingliedrigen Hand. »Jedenfalls nichts Besonderes«, fügte er einschränkend hinzu, wohl, um nicht allzu direkt den Eindruck zu vermitteln, er mauere. »Freizeitprogramm mit ein paar Workshops, alles so, wie man es kennt.«
»Ich kenne so etwas nicht«, warf Zinkel ein, »es wäre also schön, wenn Sie etwas genauer sein könnten.«
»Camping in freier Natur.« Wesseling nölte wie ein renitentes Kleinkind. »Und ich meine wirklich frei. Das heißt Fußmarsch, Zelte, Latrinen ausheben, kein Strom, kein fließendes Wasser. Und Selbstverpflegung aus der Wildnis, sprich jagen, angeln und sammeln.«
»Pfadfinder oder eher Dschungel-Camp?«, fragte Lübben.
»Mehr Pfadfinder, würde ich sagen.«
»Wofür soll das gut sein?« Zinkel konnte nicht nachvollziehen, warum erwachsene Menschen sich freiwillig zurück ins Jugendalter katapultierten. Gut, gegen eine Modelleisenbahn hätte auch er nichts einzuwenden, aber Pfadfinder spielen? Höchstens mit eigenen Kindern.
»Es stärkt den Teamgeist«, sagte Wesseling und klang dabei völlig überzeugt. »Und man entwickelt auch so eine Art sportlichen Ehrgeiz, Dinge zu bewältigen, die man sich eigentlich nicht zugetraut hat.«
»Regenwürmer essen?« Lübben gab die Schiene Dschungel-Camp noch nicht auf.
»Nein, das gerade nicht. Aber das Jagen zum Beispiel, das war schon spannend, auch wenn ich mich nicht darum reißen würde, noch mal ein Tier zu zerlegen, aber das gehört halt dazu. Oder Fische auszunehmen.« Er schüttelte sich vor Abscheu. »Das fand ich echt grenzwertig.«
»Nach allem, was wir wissen, war das nicht die einzige grenzwertige Erfahrung, die man auf dieser Veranstaltung machen konnte«, stocherte Zinkel vorsichtig im Nebel.
»Das kommt wohl ganz auf das Auge des Betrachters an.« Wesseling rutschte an die Rückenlehne seines Stuhls heran und drückte die Schultern durch. »Mit Survivaltraining hat so ein kleines Abenteuer nun wirklich nichts zu tun, und wenn man schon Rollenspiele für grenzwertig hält, hat man in der Führungsebene großer Konzerne nichts verloren.«
»Sie sprechen von …«, versuchte Lübben, das Stichwort zu geben.
»Inka natürlich. Dass sie sich beschwert war ja nicht anders zu erwarten, sie hat dort schon dauernd rumgemeckert. Aber ich wüsste nicht, was das Ganze die Polizei angeht. Ich dachte, sie hätte gekündigt, als sie danach nicht wieder zur Arbeit kam.«
»Das wussten Sie ja wohl besser«, wandte Zinkel ein. »Die örtliche Polizei hat Sie doch nach ihrem Verschwinden befragt.«
»Sicher. Aber ich konnte dazu nichts sagen. Am Freitagabend war sie noch da, und am nächsten Morgen nicht mehr. Ich habe gedacht, dass sie abgebrochen hat und nach Hause gefahren ist. Und als es hieß, sie sei verschwunden, habe ich angenommen, dass sie mit einem Kerl durchgebrannt ist. Das glaube ich immer noch. Sie will uns bloß eins auswischen.«
»Aus Rache?« Lübben gab sich leutselig und lächelte verständnisvoll.
»Woher soll ich das wissen?« Wesseling breitete in aller Unschuld die Hände aus. »Es gibt so Typen, die überhaupt keinen Spaß verstehen. Sie nörgeln an allem und jedem herum und können nicht begreifen, wenn andere eine andere Auffassung haben.«
»Eine andere Auffassung
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