Spur nach Ostfriesland
ja?«
»Im Moment noch, ich weiß allerdings nicht, wie lange wir das aufrechterhalten können«, schränkte Lübben ein.
»Sie reden von der Bedrohung von außen.« Jetzt nestelte sie an ihrem Oberteil herum, zerrte am Kragen, als leide sie unter Hitzewallungen und wolle sich Luft verschaffen. »Ich meinte aber die Gefahr, die sie für sich selbst darzustellen scheint.«
»Nun, sie liegt immerhin noch im Koma, ich denke also, dass das nicht so akut ist. Aber wenn Sie sich Sorgen machen«, Lübben legte an Tempo zu, wollte wohl das Thema vom Tisch haben, »dann sprechen Sie mit den behandelnden Ärzten, um eine Verlegung in die Psychiatrie nahezulegen, falls sie wieder aufwacht.«
»Falls. Ja.« Amelung zerrte das nächste Taschentuch aus der Schachtel, nur um es zu verknoten.
»In Anbetracht der Umstände«, mischte Zinkel sich ein, »möchten wir Sie nochmals ersuchen, uns zu erzählen, was Inka über ihre Entführung geäußert hat. Über die Fortbildung haben wir uns eingehend informiert, aber wir kennen nicht mal den Grund für die Entführung.«
»Das ist schwierig.« Amelung warf das Taschentuch in den Papierkorb und rang die Hände. »Inka konnte sich sehr gut an die Zeit vor wie auch nach der Entführung erinnern. Sie hat gerade erst begonnen, das Dunkel zu durchdringen, und ich bin nicht sicher, inwieweit ihre Flashbacks auf reale Erlebnisse zurückgreifen oder Teile von Albträumen sind. In diagnostische Details werde ich nicht gehen.«
Zinkel nickte verständnisvoll. Komm zum Punkt, Lady, dachte er, wir haben verstanden.
»Details zur Entführung selbst beziehungsweise zu ihrer Freilassung kenne ich nicht, so weit waren wir noch nicht. Inka sagt, sie sei in einem Keller gefangen gehalten worden, zunächst bei absoluter Dunkelheit. Später sei das Licht angegangen, dann allerdings nicht mehr aus, und sie sprach von einer Stimme, einer blechernen Stimme, die in einer Endlosschleife, so nannte sie es, glaube ich, Blech abgesondert hat. An die Worte kann sie sich nicht erinnern, aber sie glaubte wohl, dass sie wieder freikäme, wenn sie nur gehorchte.«
»Gehirnwäsche?« Lübben klang skeptisch.
»Verstehen Sie jetzt«, sagte Amelung, »warum ich geneigt war, Inkas Ausführungen eher im Bereich einer Psychose anzusiedeln?«
»Schon, ja«, log Zinkel. Sollte jemand ihres Fachs das nicht einigermaßen sicher unterscheiden können? »Heißt das, dass sie in der Zeit im Keller überhaupt keinen direkten zwischenmenschlichen Kontakt hatte?«, fragte er.
»Es hörte sich nicht so an. Bei der Entführung wie auch bei ihrer Aussetzung waren, glaube ich, Drogen im Spiel. Ob die Erinnerung daran wiederkehrt, kann niemand sagen. Da fällt mir ein«, Amelung hob Aufmerksamkeit heischend den Zeigefinger, »Inka ist vom Polizeipsychologen zu einem Traumaspezialisten geschickt worden, einem Doktor Lindenau. Sie war nur einmal dort, aber vielleicht wusste sie zu dem Zeitpunkt durchaus noch mehr über die Entführung und hat das erst später verdrängt. Versuchen Sie’s doch einfach mal bei ihm, er praktiziert irgendwo in der Nähe von Wiesbaden.« Sie erhob sich, signalisierte, dass die Audienz beendet war.
Lindenau, überlegte Zinkel, das war der Arzt, bei dem Petersen gewesen war. Welches Trauma hatte der nun wieder zu bewältigen?
Sie verabschiedeten sich, standen bereits draußen und Zinkel wollte gerade die Tür hinter sich zuziehen, als er ihre Stimme nochmals vernahm. »Und was ist, wenn der Mordversuch mit all dem gar nichts zu tun hat?«, murmelte sie, vielleicht mehr zu sich selbst. Gute Frage, fand er, eine, die ihm unentwegt im Nacken saß.
***
Mann, war das kalt. Hartmann rieb sich die Hände, nicht allein, um sie zu wärmen, sondern auch vor lauter Vorfreude. Das war der Durchbruch. Hoffte er jedenfalls. Er würde seinen Hintern drauf verwetten, dass das dauergewellte Haar, das Sprenger gefunden hatte, von Franziska stammte. Drei Haare, genauer gesagt. Das war mit Sicherheit kein Zufall. Morgen früh würde er Gewissheit haben, und wenn er sonst wem Dampf machen müsste. Scheiß auf Karneval, sein Ding war das sowieso nicht, irgendjemand würde heute auf das Rosenmontagsgehopse verzichten müssen.
Gentner sollte seine Überheblichkeit allmählich einbüßen. Er hatte mitbekommen, dass sie etwas gefunden hatten, aber natürlich nicht erkennen können, was das war. Er ließ ihn vorläufig schmoren. Ignorierte seine Anwältin erst recht. Blöde Kuh, schimpfte er innerlich, wie konnte sie ihm so
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