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Spur nach Ostfriesland

Spur nach Ostfriesland

Titel: Spur nach Ostfriesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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als Ihnen bewusst ist.«
    »Entschuldigung.« Gentner gab sich zerknirscht. »Es gibt sonst nichts. Ich war vielleicht ein wenig übermütig, als ich behauptet habe, die Existenz meiner Jagdhütte vergessen zu haben, aber das ist natürlich Unsinn. Ich wollte nur provozieren. Das war dumm von mir.«
    Das kann man wohl sagen, dachte Marilene. »Wo ist der leitende Ermittler?«, fragte sie.
    »Geradeaus im Wohnzimmer.«
    Sie holte tief Luft und öffnete die Tür. Hartmann kniete vor besagter Waffe, ein beseeltes Grinsen im Gesicht.
    »Guten Tag, Marilene Müller«, stellte sie sich überflüssigerweise vor, »ich bin die Anwältin von Herrn Gentner.«
    Das Grinsen wich augenblicklich einem konsternierten Ausdruck. »Hartmann«, stammelte dieser nur und rappelte sich nicht eben anmutig auf.
    Patrizia war auch da, stellte sie fest. Sie nickte ihr und einem weiteren Beamten knapp zu. »Darf ich den Durchsuchungsbeschluss sehen?«
    »Sicher.« Hartmann reichte ihr das Dokument.
    »Indizien betreffend Verbleib der Franziska Eising«, las sie laut. »Schon etwas gefunden?«
    Hartmann deutete missgelaunt auf die Waffe. »Wir stehen noch am Anfang«, presste er zwischen den Zähnen hervor.
    »Ein Erbstück«, erläuterte Marilene. »Mein Mandant wird sich selbstverständlich baldmöglichst um die fehlenden Papiere kümmern.«
    Sie bemerkte im Garten einen Beamten, der im Schnee stocherte. Gingen sie jetzt doch davon aus, dass Franziska tot war? Hing das mit Inka zusammen? Fragen, die sie besser nicht stellte. Zumindest nicht hier.
    »Ich möchte jetzt zu der Jagdhütte fahren, wenn’s recht ist.« Hartmann wartete weder ihr noch Gentners Einverständnis ab, sondern stapfte in den Flur, wo er nach Verstärkung rief.
    Marilene sah, dass Patrizia alle Mühe hatte, ernst zu bleiben, winkte grüßend und folgte, Gentner im Schlepptau, der sich, stumm winkend, von seiner Frau verabschiedete. War sie wohl doch echt. Bewegt hatte sie sich allerdings nicht.
    Zwanzig Minuten später rumpelte Hartmanns Wagen vor dem Streifenwagen über einen kaum befahrbaren Waldweg, den so zu bezeichnen, gelinde gesagt, irreführend war. Wahrscheinlicher war, dass jemand mit einer Axt diese Schneise geschlagen und die Baumstümpfe hatte stehen lassen. Marilene stieß sich zum wiederholten Mal den Kopf am Wagendach und war geneigt, das Fahrerlebnis als Rache zu betrachten. Ihr Magen hüpfte mit jeder Erschütterung höher, und sie war froh, dass sie noch nichts gegessen hatte. Sie hoffte, die Achse würde durchhalten, denn ein Fußmarsch dürfte kaum vergnüglicher sein. Sie waren mitten im Nirgendwo, sie hatte kaum auf den Weg geachtet, das letzte Ortsschild, das sie wahrgenommen hatte, war Ehlhalten, und das war bereits eine ganze Weile her.
    »Noch weit?«, fragte Hartmann zähneklappernd.
    »Nein.« Gentner schien sich zu amüsieren. »Ich hab doch gesagt, dass wir den Geländewagen hätten nehmen sollen.«
    »Der wird untersucht«, knurrte Hartmann.
    »Ach ja. Nun, das letzte Stück müssen wir sowieso laufen.«
    Na toll, dachte Marilene, und das in Schuhen, die Schneehöhen über fünf Zentimeter nicht gewachsen waren. Aber allein im Wagen bleiben würde sie nicht. Viel zu unheimlich. Der Wald wurde immer dichter, sodass das kümmerliche verbliebene Tageslicht kaum hindurchdrang. Zweige kratzten über das Autodach und streiften ihre Schneelast ab, ganze Lawinen rutschten an der Heckscheibe hinunter. Die Scheinwerfer vermittelten das Gefühl, dass sie sich in einem Tunnel befanden, einem sich verjüngendem Tunnel ohne Ausgang.
    »Vorsicht!«, schrie sie auf. Ein umgestürzter Baum versperrte den Weg.
    Hartmann hielt an.
    »Das war’s«, sagte Gentner ungerührt.
    Sie kletterten über den Baumstamm und machten sich auf den Weg. Gentner führte, gefolgt von den Männern aus dem Streifenwagen, die ihre Ausrüstungskoffer mitschleppten, dann Marilene. Hartmann bildete das Schlusslicht. Seine funzelige Taschenlampe trug nicht dazu bei, die Umgebung wesentlich zu erhellen. Bis auf das Knirschen ihrer Schritte, das leichte Keuchen ihres Atems herrschte absolute Stille, so vollkommen, wie sie es noch nie erlebt hatte. Totenstille. Der dumpfe Ruf eines Uhus verstärkte das klaustrophobische Gefühl von Einsamkeit. Von drohender Gefahr. Das Dunkel rechts und links des Pfades war undurchdringlich. Plötzlich entdeckte sie ein paar glühende Augen, nur ein Tier, beruhigte sie sich, unmöglich, zu sagen, was für eines und wie groß. Sein Blick schien ihr zu

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