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Spur nach Ostfriesland

Spur nach Ostfriesland

Titel: Spur nach Ostfriesland
Autoren: Beate Sommer
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    »Heirate mich«, sagte er.
    »Deine Englischkenntnisse sind überwältigend«, gab sie zurück.
    »Im Ernst«, beschwor er sie, »willst du?«
    »Also einen Preis für den romantischsten Antrag kriegst du dafür nicht.« Noch immer versuchte sie, einen Witz daraus zu machen.
    »Den kannst du haben. Aber nicht, wenn du es dir sowieso nicht vorstellen kannst«, schränkte er ein.
    Sie blies die Backen auf. »Wo kommt das denn auf einmal her?«
    Er beschloss, offen zu sein. »Ich habe ein Angebot bekommen, mich auf eine frei werdende Stelle in Leer zu bewerben. Wenn du mich heiratest und lieber hierbleiben würdest, vergesse ich’s. Wenn du Nein sagst, dann bin ich weg.«
    »Oh«, sie überlegte, »weiß Jens schon davon?«
    »Nein.«
    »Hm.«
    »Bedenkzeit?«
    Sie nickte.
    Schlechtes Zeichen, dachte er, man brauchte keine Bedenkzeit, wenn man jemanden liebte. Er argwöhnte, dass er nicht mehr als ein Lass-uns-Freunde-bleiben bekommen würde. Ein Satz, den er nicht ausstehen konnte.
    Sie erreichten Petersens Haus und stiegen aus. Ein schrankmäßig gebauter Kerl mit Werkzeugkoffer, vermutlich vom Schlüsseldienst, wartete bereits auf sie. Neben ihm verkam ein rot gelockter Typ mit Wollmütze zum Gartenzwerg.
    »Hey, Colin«, sagte Patrizia.
    Er vermeinte, ein Strahlen in ihren Augen zu sehen, das ihm nie zuteil geworden war, und wandte den Blick ab.
    »Macht ihr das«, gab er den Satz des Tages zum Besten, »ich fahr noch mal zu Lindenau. Vielleicht kann er uns helfen, Petersen auf die Spur zu kommen.« Er ließ sich von Patrizia die Autoschlüssel geben und räumte das Feld.
    Er glaubte nicht, dass Petersen den laut Hartmann beschwerlichen Weg zur Hütte auf sich nehmen würde, um jemanden umzubringen. Zumal sich dem potenziellen Opfer, je nachdem, wie schnell es auf den Beinen war, dort Fluchtmöglichkeiten eröffneten, die das Unterfangen zumindest behindern würden. Viel zu riskant und umständlich obendrein.
    ***
    Er atmete auf. Hier war er richtig. Endlich. Dreimal hatte er sich im Weg geirrt, war unbefestigten Pfaden gefolgt, die nirgendwohin führten, nur um rückwärts wieder hinausmanövrieren zu müssen. Das hatte höllisch viel Zeit gekostet. Schon komisch, wie wenig man auf den Weg achtete, wenn man als Beifahrer im Auto saß und obendrein die ganze Zeit zugetextet wurde. Vielleicht war das Absicht gewesen? Einerlei. Niemand hatte gesehen, wie er auf den Waldweg abgebogen war. Jetzt konnte nichts mehr schiefgehen.
    Er warf einen Blick auf seine Begleiterin. Er war nicht sicher, ob sie bewusstlos war oder schlief. Oder nur so tat. Ihre Augen waren geschlossen, und ihr Kopf wackelte im gleichen Rhythmus, wie der Wagen über den hart gefrorenen, zerfurchten Weg holperte. Der Geländewagen wäre natürlich geeigneter gewesen. Nicht mehr weit. Da vorn war schon der Baum, der den Weg versperrte. Ab da war Fußmarsch angesagt. Konnte sie laufen? Davon hing ab, wie sie sterben würde.
    Er hielt an, stellte den Motor ab und stieg aus. Im Kofferraum fand er Martins Stiefel und Handschuhe, streifte sie über und stapfte dann zur Beifahrerseite. Ein plötzlicher Windstoß riss ihm die Tür aus der Hand, wie um sie zu wecken mit seiner eisigen Kälte, sie blinzelte, öffnete die Augen, schloss sie wieder. Ihr Kopf fiel zur Seite. Nichts da!
    Er zerrte sie aus dem Wagen, legte ihren rechten Arm über seine Schulter, packte sie an Hand und Unterarm wie ein Fischer sein Tau und schleppte sie mit sich. Totes Gewicht, ab und an bewegte sie die Füße, aber Gehen konnte man das kaum nennen. Weiter, immer weiter. Kein Lüftchen regte sich mehr, und er schwitzte, sehnte den Sturm herbei, der ihn vorantreiben würde, erinnerte die Trekking-Tour, das Überschreiten der eigenen Grenzen, das spornte ihn an, ein kurzes Stück noch. Ihr Arm entglitt ihm, und sie stürzte zu Boden. Blieb reglos liegen. Wenn sie überhaupt wusste, was vor sich ging, dann hatte sie in diesem Moment aufgegeben.
    Er könnte sie einfach liegen lassen, und sie würde binnen Stunden erfrieren. Wenig Risiko. Ihm wäre nie etwas nachzuweisen. Doch das war ihm aus unerfindlichen Gründen zu einfach, zu banal. Und ganz sicher konnte er nicht sein, dass sie nicht doch noch aufwachte. Er erwog, sie an Ort und Stelle zu erschießen, um sich die Plackerei zu ersparen, sie musste nicht unbedingt in der Hütte aufgefunden werden. Er trat ihr in die Seite, und sie stöhnte, trat nach, und sie öffnete die Augen. Er zog sie hoch. Hielt sie fest. Befahl ihr, ihm die
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