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Spuren des Todes (German Edition)

Spuren des Todes (German Edition)

Titel: Spuren des Todes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith O'Higgins , Fred Sellin
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etwa, weil ihre Beziehung über alle Maßen harmonisch verlaufen wäre, es keine Konfliktpunkte gegeben hätte. Sie hatten sich angewöhnt, Auseinandersetzungen schon im Keim zu ersticken – eben durch Ritualhandlungen. Sex war eine davon.
    Die beiden waren Studenten gewesen, ungefähr in meinem Alter. Wahrscheinlich zog mich ihre Geschichte auch deshalb so in den Bann. Jedenfalls muss der jungen Frau irgendwann klargeworden sein, in was sie da hineingeraten war. Sie wollte ausbrechen, ihn verlassen, aber das hätte sein Ego nicht verkraftet. Es wäre in Ordnung gewesen, hätte er Schluss gemacht. Aber umgekehrt – das konnte er nicht hinnehmen. Einen wie ihn verließ man nicht. Deswegen musste sie sterben. Alles andere, die Geschichte mit dem geplanten Freitod und die läppische Selbstverletzung, hatte ihn nur davor bewahren sollen, für seine Tat zur Verantwortung gezogen zu werden.
    Ein anderer Patient, den ich in einer Therapiesitzung erlebte, hatte seine Frau umgebracht, anschließend zerstückelt und die Einzelteile, verpackt in Müllsäcken, in einem abgelegenen Waldstück verscharrt. Außer ihren Kopf, den hatte er behalten, als wäre das seine Trophäe gewesen. Die Polizei fand den Kopf schließlich im Kofferraum seines Autos, in einem Karton, mit dem er offenbar tagelang durch die Gegend kutschiert war. Hätte ich dem Mann nicht gegenübergesessen, sondern nur seine Geschichte gehört, ich hätte ihn mir ganz anders vorgestellt. So aber wirkte er wie ein armseliges kleines Würstchen, das nicht mal einer Fliege etwas zuleide tun könnte.
    Überhaupt begegnete mir in der Klinik kaum jemand, dem man seine Tat beziehungsweise seine Taten angesehen hätte. Nicht wie im Film, wo man den Bösewicht schon erkennt, sobald er das erste Mal durchs Bild huscht, da muss noch gar kein Verbrechen geschehen sein. Eine der wenigen Ausnahmen war ein Sexualstraftäter, der drei oder vier Frauen vergewaltigt und erstochen hatte. Ein baumlanger Kerl, wuchtiger Schädel mit Halbglatze, aknevernarbtes Gesicht, als wäre die Haut Borke, dunkle, fast schwarze Augen, Hände groß wie Bratpfannen und zusammen mit den Armen mehrfarbig tätowiert … vor dem konnte man echt Angst kriegen.
     
    Das ist es, was ich später machen werde, dachte ich: in so einer Klinik arbeiten, forensische Psychiatrie. Erforschen, warum jemand zur Bestie wurde, was schieflief in seinem Leben, wieso die üblichen Kompensationsmechanismen bei ihm nicht funktionierten, er kein anderes Ventil fand als brutale Gewalt?
    Damit war die Richtung zumindest schon mal vorgesteckt, auch wenn es dann doch etwas anders kam. Ein Grund dafür war, dass ich später, während meines praktischen Jahres, noch einmal in einer Forensischen Klinik arbeitete und dabei zu einer neuen Erkenntnis kam. Nämlich dass psychisch kranke Straftäter eher selten die Frage nach dem Warum beantworten. Die wenigsten sind bereit, die wahren Beweggründe ihres Handelns zu offenbaren. Aber auch der Ansatz, mit dem einige Psychiater an die Problematik herangingen, deckte sich nicht mit dem, was mir vorschwebte. Sie meinten, sie wollten weder den Tatort selbst noch Bilder davon sehen, und auch die Lektüre des Obduktionsberichts hielten sie nicht für erforderlich. All dieses Wissen würde sie nur daran hindern, sich dem Täter unbefangen zu nähern. Das mochte vielleicht so sein, trotzdem war meine Sichtweise eine andere. Ich wollte beides nicht losgelöst voneinander betrachten – hier die Tat und dort der Täter. Gerade Informationen vom Tatort und vom Zustand des Opfers schienen mir bedeutsam, da sie immer auch etwas über die Persönlichkeit eines Täters verrieten. Aber gut, da konnte man sicherlich unterschiedlicher Meinung sein.
     
    Warum also Rechtsmedizin? Abgesehen von dieser Vorgeschichte, durch die ich mit einer der Schnittstellen zwischen Medizin und Kriminalistik in Berührung kam, die ich ungeheuer spannend fand, war es wohl vor allem die Suche nach klaren Antworten, die mich dorthin lenkte. Vielleicht wäre ich schon früher darauf gekommen, dass Rechtsmedizin das Fach war, das mich am meisten interessierte. Noch während ich in Münster studierte, hatte ich ein paar Stunden im dortigen Institut für Rechtsmedizin zu absolvieren. Bei einer wurden wir mit einer Bahnleiche konfrontiert, aber das schockierte mich nicht. Eher weckte es meine Neugier: Welche Informationen ließen sich bei der Obduktion des Leichnams noch gewinnen? Würde man feststellen können, was genau die

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