Spuren des Todes (German Edition)
aus gegangen. Für den Abend, als die Tat geschah, hatte er sich angeblich mit der fünfunddreißigjährigen Frau zum Fernsehen verabredet. Ihr Mann hatte Nachtschicht. Wie üblich bei solchen Anlässen, hätten sie reichlich Alkohol getrunken. Irgendwann habe er versucht, seine Nachbarin zu vergewaltigen. Als die drohte, ihn anzuzeigen, wenn er nicht aufhörte, habe er nur noch Rot gesehen, sei völlig ausgerastet, wie er später im Verhör gestand. Erst habe er die Frau getötet, dann die Kinder, die durch den Lärm nacheinander aufgewacht seien.
Vermutlich hätte die Tat verhindert werden können, auch wenn das wie eine der üblichen Floskeln klingt, die nach Gewaltverbrechen häufig durch die Medien geistern, mal mehr, mal weniger begründet. Hier aber scheint diese Vermutung tatsächlich angebracht. Nicht nur, weil seine sexuelle Entwicklung praktisch seit der Kindheit anormal verlief. Das äußerte sich etwa darin, dass er gern Frauenkleider trug, wenn er masturbierte. Zur Stimulanz bastelte er sich eigene Pornohefte, für die er entsprechende Bilder in Stücke schnitt und diese dann so zusammenfügte, dass die Körper keine normalen Körper mehr waren. Entscheidender hätte sein können, dass er zwei Jahre vor der Tat gemeinsam mit einem Cousin, der wie er erwachsen war, seine zwölfjährige Cousine erst mit einem abgesägten Besenstiel vaginal penetrierte und anschließend zum Geschlechtsverkehr zwang und dazu, ihn oral zu befriedigen. Wäre diese Tat damals gleich bekannt geworden, hätte man ihn früher weggeschlossen. Aber davon erfuhr die Polizei erst nach dem Dreifachmord. Dem Täter wurde eine »erheblich verminderte Schuldfähigkeit attestiert«. Das Gericht verurteilte ihn zu fünfzehn Jahren Haft und Unterbringung in einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt.
Zwei andere Täter, mit denen ich mich im Zuge meiner Studie intensiv beschäftigte, hatten Jahre später für ähnliches Aufsehen gesorgt. Der eine erlangte als »Heidemörder« eine gewisse, wenn auch zweifelhafte Berühmtheit. Bevor er gefasst wurde, hatte er im Zeitraum von ziemlich genau drei Jahren drei junge Frauen getötet. Die Erste hatte er mit einem Kabel erdrosselt, die Zweite mit den Händen erwürgt, die Dritte starb durch eine Kombination aus Drosseln und Würgen. Alle drei waren vor ihrem Tod vergewaltigt und gequält worden.
Seit seiner Verurteilung ist der »Heidemörder« im Maßregelvollzug untergebracht. Ihm wird eine hohe Rückfallwahrscheinlichkeit bescheinigt. Er gilt als nicht therapierbar.
Letzteres trifft auch auf den anderen Täter zu, der als »Säurefassmörder« in die Annalen der Hamburger Kriminalgeschichte einging. Der sadomasochistisch veranlagte Mann wurde wegen zweifachen Mordes, versuchten schweren Raubes in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und wegen erpresserischen Menschenraubes zu lebenslanger Haft und anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt. Er ist inzwischen Mitte sechzig, und es ist davon auszugehen, dass er die restliche Zeit seines Lebens hinter Gittern verbringen wird.
Die Taten ereigneten sich in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre. Zunächst entführte er eine einundsechzigjährige Frau, die er eine Woche lang im Keller seines Reihenhauses gefangen hielt und folterte, bevor er sie tötete und ihre Leiche zerstückelte. Zweieinhalb Jahre später war es dann eine einunddreißigjährige Frau, die er in das unterirdische Verlies sperrte, sexuell missbrauchte und auch auf andere Weise quälte. Die sadomasochistischen Handlungen, die er an ihr vornahm, dokumentierte er auf Polaroidfotos. Außerdem zwang er die Frau, eine Tonbandkassette zu besprechen, wobei sie die perversen Praktiken in allen Details zu schildern hatte. Ungefähr vier Wochen dauerte das Martyrium, dann brachte er auch sein zweites Opfer um und zerstückelte es.
Beider Leichen entledigte er sich, indem er jede in ein Fass mit Salzsäure verfrachtete, die er wiederum im Garten vergrub, das mit seinem ersten Opfer hinter dem Reihenhaus, das andere auf seinem Wochenendgrundstück rund fünfzig Kilometer entfernt. Damit es für ihr Verschwinden eine Erklärung gab, hatte er beide Frauen vor ihrem Tod dazu gebracht, Abschiedsbriefe und Postkarten zu schreiben, die er später aus dem Ausland an ihre Verwandtschaft schickte. Jedes Mal hieß es, sie wollten in der Fremde ein neues Leben beginnen und wünschten zu ihren Angehörigen keinen Kontakt mehr.
Ob die Mutter der Einunddreißigjährigen die Einzige war, die daran
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