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Spuren des Todes (German Edition)

Spuren des Todes (German Edition)

Titel: Spuren des Todes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith O'Higgins , Fred Sellin
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Lewtzow – spätestens als die Ermittler die Akten aus Hannover übersandt bekamen. Da der Bulgare bei seiner Vorgeschichte als gefährlich einzuschätzen war und man damit rechnen musste, dass er eine scharfe Waffe bei sich hatte, wurde ein Sondereinsatzkommando losgeschickt, um ihn festzunehmen. Die Spezialkräfte rückten an einem Freitagmorgen an, kurz vor sechs Uhr. Als sie Nikolai Lewtzows Wohnung stürmten, lag der noch im Bett. Er kam gar nicht dazu, nach einer Waffe zu greifen. Obwohl eine in seinem Nachtschrank lag. Eine zweite fanden die Beamten bei der anschließenden Hausdurchsuchung im Spülkasten der Toilette, eingeschlagen in Ölpapier und in einer Plastiktüte mit braunem Paketklebeband wasserdicht verpackt.
    Aber der noch wichtigere Fund war eine Schrotflinte mit abgesägtem Doppellauf und Kolben. Sie hatte das gleiche Kaliber wie die Waffe, mit der die Zahnarzthelferin und der Kioskbesitzer getötet worden waren. Es handelte sich um ein Modell aus Italien, dort werden solche gestutzten Flinten
Lupara
genannt – Wolfstöter. Durch den verkürzten Lauf verteilen sich die Schrotkörner früher, ihre Streuung kann größer ausfallen, was aber nicht bei jeder so ist. Dafür verringert sich die Reichweite erheblich. Um jemanden damit zu töten, muss man sehr nah an ihm dran sein. Das schien Nikolai Lewtzow gewusst zu haben. Dass er trotzdem noch eine zweite Patrone abgefeuert hatte, dürfte ein Zeichen dafür gewesen sein, dass er ganz sichergehen wollte.
     
    Niemand von den Ermittlern zweifelte daran, dass sie mit dem Bulgaren den Mörder von Jaqueline Wentrop und Bernhard Schlonewski gefasst hatten. Die Waffe und die passenden Patronen dazu, die sie ebenfalls in seiner Wohnung gefunden hatten, waren nicht die einzigen Beweise gegen ihn. Nur bei der Suche nach einem Motiv traten die Beamten auf der Stelle. Sooft sie Nikolai Lewtzow zur Vernehmung ins Polizeipräsidium holen ließen, er half ihnen kein Stück weiter. Er machte den Mund nicht auf. Manchmal stellten sie ihm stundenlang Fragen, wiederholten jede einzelne wieder und wieder, aber er antwortete einfach nicht. Kein einziges Wort sprach er mit ihnen, das überließ er seinem Anwalt.
    Mit derselben Taktik ließ Nikolai Lewtzow die Gerichtsverhandlung über sich ergehen. Angeklagt wurde er wegen Mordes in zwei Fällen und wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz. Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft umfasste über achtzig Seiten. Siebenunddreißig Zeugen wurden geladen, dazu mehrere Sachverständige – ein Psychiater, der ein Gutachten über den Angeklagten erstellt hatte, ein Waffenexperte und die zwei Rechtsmediziner, die mit der Obduktion der Leichen betraut worden waren und als Sachverständige die Untersuchungsergebnisse vortragen sollten. Einer davon war ich.
    Seit ich am Institut arbeitete, hatte ich eine ganze Reihe von Gerichtsterminen absolviert. Diese Einsätze waren zwar sehr zeitaufwendig. Man musste sich gut vorbereiten, noch einmal alle Aufzeichnungen gründlich studieren; die betreffende Obduktion lag dann ja meist schon Monate zurück. Und für solche Sachen blieb oft nur Zeit nach Dienstende. Ich machte die Ausflüge zum Gericht trotzdem gern, auch weil man dadurch mitbekam, wie ein Fall ausgegangen war. Die meisten Fälle verlor man doch ziemlich schnell aus dem Blick, da jeden Tag wieder genügend Neues anstand.
    Der Prozess gegen Lewtzow fand unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen statt. Bevor die Richter den Raum betraten, wurde der Angeklagte in Fußfesseln hereingeführt und mit dem linken Handgelenk an den Tisch gekettet, hinter dem er Platz zu nehmen hatte. Zusätzlich wurde er von zwei Justizbeamten bewacht, die sich zwei, drei Schritte hinter ihm aufbauten, einer rechts, einer links. Auf dem Stuhl neben ihm saß sein Verteidiger.
    Nikolai Lewtzow war nicht besonders groß. Vielleicht ein Meter fünfundsiebzig, höchstens. Sein Körper wirkte gedrungen. Schultern, Arme und Brustkorb verrieten regelmäßiges Hanteltraining mit schweren Gewichten. Dagegen schien der Kopf zu klein geraten zu sein. Irgendwie stimmten die Proportionen nicht. Von seinem Hals war fast gar nichts zu sehen. So wie er dort auf der Anklagebank saß, erinnerte er einen an einen zu groß geratenen Pitbull, den man an die Kette gelegt hatte. Und sein Blick erst! Man hätte meinen können, er lauerte nur darauf, sich loszureißen und über jemanden herzufallen.
    So ähnlich spielte es sich dann auch ab, gleich am ersten Verhandlungstag.

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