Spuren des Todes (German Edition)
Unfallverursachers – falls es sich dabei nicht um den Getöteten selbst handelt – zum Hergang tatsächlich der Wahrheit entsprechen. Die Gehrichtung eines verunglückten Fußgängers in Relation zum Fahrzeug, von dem er erfasst wurde, kann zum Beispiel von Bedeutung sein. Eine Kollision mit einem Fußgänger, der von rechts unvermittelt auf die Fahrbahn tritt, ist oft kaum vermeidbar. Betritt er sie hingegen von links, hat der Autofahrer noch eine Chance zu reagieren. Durch eine Obduktion kann man beispielsweise auch herausfinden, ob jemand bei einem Autounfall angeschnallt war oder nicht. Dafür wird das betreffende Gewebe tangential in dünne Schichten geschnitten, so dass man erkennt, ob eine Gurtmarke vorhanden ist oder nicht. Die würde man als Unterblutung in der Haut und im Unterhautfettgewebe feststellen können. Das Fehlen einer Gurtmarke ist allerdings nicht unbedingt ein Beweis, dass jemand nicht angeschnallt war.
Ein weiterer Aspekt dabei ist, dass man oft überhaupt erst durch eine Obduktion in Erfahrung bringen kann, ob das Opfer nicht schon vor dem vermeintlichen Unfall oder auch Unglück tot war und alles andere nur nachträglich inszeniert wurde, um ein Tötungsdelikt zu vertuschen. Die berühmte Szene aus dem Krimi: Eine Leiche wird in ein Auto gehievt und dieses dann eine Schlucht hinuntergestürzt.
Aber auch eine in Brand gesteckte Wohnung ist einer der Klassiker hierfür. Ich hatte mal einen Fall, wo die Ermittler genau das vermuteten. Damals war die Wohnung einer fünfundachtzig Jahre alten Frau ausgebrannt. An einem Vormittag, was allein schon recht ungewöhnlich war. Laut den Statistiken der Feuerwehr kommt es überwiegend am späten Abend oder nachts zu Wohnungsbränden. Nach den Löscharbeiten fanden die Feuerwehrleute die Leiche der Frau. Sie war schwerstpflegebedürftig gewesen und hatte ohne Hilfe ihr Bett nicht verlassen können. Bei den anschließenden Ermittlungen stellte sich heraus, dass das Feuer höchstwahrscheinlich gelegt worden war.
Die Frau hatte mit ihrem fünfzigjährigen Sohn zusammengelebt. In seinem Zimmer, das er eine halbe Stunde bevor das Feuer ausgebrochen war verlassen hatte, angeblich um einkaufen zu gehen, entdeckten sie den Brandherd. Auf dem Fußboden war Pinselreiniger ausgegossen worden, der sich durch einen eingeschalteten und heiß gelaufenen Fön entzündet hatte. Etwa eine Woche vor dem Brand war dem Sohn die Pflegschaft für seine Mutter entzogen und einem Rechtspfleger übertragen worden. Der Sohn hatte seiner Mutter davor mehrmals Geld gestohlen. Durch die neue Regelung war ihm der Zugriff auf ihr Sparkonto versperrt worden. Das könnte ein Motiv gewesen sein.
Wir führten die Obduktion durch. Die Leiche roch intensiv nach Rauch. An Gesicht und Händen hafteten Rußantragungen. Die anderen Körperteile waren durch Kleidung bedeckt gewesen oder von der Bettdecke. Entsprechende Rußpartikel fanden wir auch in der Mundhöhle, in der Luftröhre, einschließlich der kleinen Luftröhrenäste, in der Speiseröhre und auf der Magenschleimhaut.
Diese Befunde zeigten, dass die Frau noch geatmet haben musste, als das Feuer ausgebrochen war. Bei Wohnungsbränden sterben die wenigsten Opfer infolge einer direkten Einwirkung der Flammen. Die Mehrzahl erstickt durch das Einatmen von Rauchgasen. Nicht anders bei der alten Frau: Sie war durch eine Kohlenmonoxidvergiftung gestorben. Der Kohlenmonoxid-Hämoglobin-Gehalt ihres Bluts betrug bei der Obduktion, die wir am Tag nach dem Brand später durchführten, vierundvierzig Prozent. Eingeatmetes Kohlenmonoxid bindet sich bevorzugt an das Hämoglobin der roten Blutkörperchen, und zwar genau an den Stellen, die eigentlich zum Andocken von Sauerstoff gedacht sind. Dadurch können die roten Blutkörperchen nicht mehr genug Sauerstoff transportieren. Ist die Dosis Kohlenmonoxid zu hoch, erstickt man.
Das Feuer war in diesem Fall also nicht gelegt worden, um eine zuvor begangene Straftat zu verdecken. Stattdessen deutete alles darauf hin, dass mit der Brandstiftung selbst ein Tötungsdelikt begangen wurde. Vermutlich in der Hoffnung, dass es als solches nicht erkannt, sondern als bedauerlicher Unfall abgetan würde. Der Unterschied zwischen dem einen – der Tötung mit anschließender Brandlegung – und dem anderen – der Brandlegung zur Tötung – war marginal, das Ergebnis das Gleiche.
Bahnleichen sind noch so ein Klassiker. Es hat sich schon manches Mal herausgestellt, dass jemand, der vom Zug überrollt
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