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Spuren im Nichts

Spuren im Nichts

Titel: Spuren im Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt
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Building, in dem die Mensa und das Studentenwerk untergebracht waren, aus Balfrey Park, wo sie so häufig ihre Literatur durchgearbeitet hatte, wenn das Wetter gut gewesen war. Im Norden, zwischen hohen alten Bäumen meinte sie sogar, ihr altes Appartement zu sehen.
    Und dort, am Ende einer stillen Straße, stand das Haus, in dem Sheyel Tolliver hin und wieder Gruppen von Diplomanden und Mitglieder anderer Fakultäten zum Essen und Diskutieren empfangen hatte. Suche nie nach Komplexität oder Tiefe, wenn es um diplomatische Entscheidungen geht. Mit wenigen Ausnahmen entspringen diese Entscheidungen stets irgendjemandes Eigeninteresse. Nicht dem nationalen Interesse oder dem Interesse für das Wohl der Allgemeinheit, sondern individuellem Ehrgeiz oder individuellen Zielen.
    Damals hatte sie es nicht glauben wollen, hatte den Ausspruch dem wachsenden Zynismus eines alternden Lehrers zugeschrieben. Kim war damals noch idealistisch gewesen. Heute war sie, obwohl sie sich noch immer einen starken Glauben an den grundlegenden Anstand des einzelnen Menschen bewahrt hatte, fest davon überzeugt, dass man jenen, die nach persönlicher Macht strebten, niemals trauen durfte, weil sie immer nur in ihrem eigenen Interesse handelten und sonst gar nichts.
    Das letzte Treffen mit Sheyels Diskussionsgruppe hatte zwei Tage vor ihrer Prüfung stattgefunden. Es war ein Abschied gewesen, und die Studenten hatten zur Abwechslung die Geschenke mitgebracht und Sheyel eine Medaille verliehen mit der Aufschrift FUER UNEINGESCHRÄNKTE ANGEMESSENHEIT. Eine Anspielung auf seine Bemerkung, dass der Standard in ihrer Gruppe so hoch gewesen sei, dass Angemessenheit bereits eine großartige Leistung war.
    Das Haus war ein Bau aus Stein und Glas, im sylvanischen Stil erbaut, mit einem Dachgarten und einem großen Panoramafenster, das die Landstraße überblickte. Ein Portikus beherrschte die Ostseite, und hinter dem Haus gab es einen Pool. Eine Laterne brannte und hieß sie willkommen.
    Sie erinnerte sich, wie sie bei diesem letzten Treffen am Pool gestanden hatte, in der Hand einen Limonendrink – wie eigenartig, dass sie sich noch an dieses Detail erinnerte –, in einer Gruppe mit Sheyel und einem anderen Lehrer sowie zwei oder drei Studenten. Das Gespräch hatte sich dem traurigen Zustand menschlicher Geschichte zugewandt. Die lange Liste von Blutvergießen, Verzweiflung, Korruption, verpassten Gelegenheiten, Unterdrückung und oftmals selbstmörderischen Vorgehensweisen.
    Und Sheyel hatte über das gesprochen, was er als die Wurzel allen Übels empfand.
    Es gibt, hatte er gesagt, eine inverse Beziehung zwischen dem Grad an Macht, den eine Person besitzt, und der Ebene, auf der ihr Verstand funktioniert. Ein Person von gewöhnlicher Intelligenz, die zu Macht gelangt, ganz gleich welcher Art, neigt dazu, eine übertriebene Vorstellung von ihren eigenen Möglichkeiten zu entwickeln. Speichellecker versammeln sich um sie. Es gibt nur wenig oder keine Kritik wegen ihrer Entscheidungen. Während ihre Fähigkeit, in das Leben anderer einzugreifen, immer weiter zunimmt, verstärkt sich auch diese Entwicklung. Schließlich endet man wie Louis der Vierzehnte, der glaubte, nur Gutes für Frankreich getan zu haben, obwohl das Land, das er hinterließ, in Scherben lag.
    Die Vordertür öffnete sich, und Sheyel trat heraus. Er blickte nach oben und winkte dem landenden Taxi entgegen. Sie winkte zurück. Das Taxi ging auf dem Landeplatz nieder, und er kam herbei, um ihr beim Aussteigen behilflich zu sein.
    »Es ist schön, Sie zu sehen, Kim«, begrüßte er sie. »Ich kann gar nicht sagen, wie sehr ich Ihnen danke für das, was Sie getan haben.«
    »Freut mich, dass ich helfen konnte.«
    Sie standen im hellen Sonnenlicht des Nachmittags und betrachteten einander. Er trug ein dunkles, weit geschnittenes Hemd mit langen Ärmeln und eine hellgraue Hose. Sie bemerkte eine Blässe, die auf den Videos und in den Virtuals nicht zum Vorschein gekommen war.
    Das Taxi hob wieder ab. »Welche Pläne haben Sie für den Ausgang des Tages?«, fragte er. »Kann ich Sie überreden, zum Abendessen zu bleiben?«
    »Das ist sehr freundlich von Ihnen, Sheyel«, antwortete sie. »Ich wünschte, ich könnte bleiben, aber mein Zeitplan ist sehr eng.«
    »Schade«, sagte er und trat zur Seite, um sie hereinzubitten. Kim erinnerte sich nicht mehr an Einzelheiten des Mobiliars, doch die Reihen von Büchern an den Wänden waren immer noch dort und die Glastüren, die hinaus in den

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