Spuren im Nichts
nickte. »Ich danke Ihnen trotzdem.«
»Wenn es Ihnen nicht nichts ausmacht, ich muss jetzt wieder an meine Arbeit.«
»Es tut mir Leid, dass ich Sie gestört habe«, sagte Kim. »Ich weiß, dass Sie mich nicht besonders mögen.«
Tora schwieg.
»Wenn es Ihnen ein Trost ist – ich bewundere Ihren Vater.«
»Danke sehr.«
»Ich glaube nicht, dass Sie um seinen Ruf fürchten müssen.«
Tora atmete tief durch und wandte sich ab.
Kim blickte ihr hinterher. Sie war ziemlich sicher, dass das, was sie gerade gesagt hatte, der Wahrheit entsprach.
Am Nachmittag des nächsten Tages hatte sie eine Verpflichtung im Mariners Club. Trotz des Namens hatte der Club überhaupt nichts mit Schiffen oder Booten zu tun, sondern war ein Seniorenverein. Der Name war eine Anspielung auf die Art und Weise, wie die Mitglieder sich selbst sahen: Personen, die durch das Leben gefahren und nun in einem sicheren Hafen angekommen waren – und die vorhatten, die verbleibende Zeit zu genießen.
Das Clubwappen, auf einer Fahne aufgedruckt, zeigte einen Anker und fünf Sterne, einen für jeden Leitsatz des Clubs, sowie das Motto: HALTE DEN WIND IMMER IN DEINEM RÜCKEN. Kim hatte sich Zeit genommen, um die Leitsätze des Clubs zu lesen, und jetzt flocht sie die Schlagworte in ihre Ansprache ein. Es waren profane Lebensweisheiten, wie beispielsweise Geh immer auf dem nassen Sand oder Der einzige wirkliche Fehler ist, es nicht versucht zu haben.
Das Institut ist ganz ähnlich wie Ihr Club, erzählte sie den Senioren. »Wir bemühen uns, den Horizont auszudehnen und den Blick für den Kosmos offen zu halten. Auch wir haben nicht immer beim ersten Anlauf Erfolg. So ist nun einmal das Leben. So ist die Wissenschaft. Wie die Mariner, so fürchten auch wir uns nicht vor Rückschlägen, und genau genommen ist es die Art und Weise, wie wir lernen.«
Wie üblich traf sie den Geschmack ihres Publikums genau, und als sie geendet hatte, erhielt sie begeisterten Applaus. Der MC dankte ihr herzlich für ihr Kommen, und einige Leute belagerten sie mit Fragen oder machten ihr Komplimente. Eine Frau wollte überhaupt nicht mehr aufhören, bis der Vorsitzende Kim beiseite nahm. Er teilte ihr mit, dass der Club üblicherweise die Hälfte der Einnahmen aus den alljährlichen Wohltätigkeitsveranstaltungen einer Organisation spendete, die das Geld verdient hatte, üblicherweise einer Bildungseinrichtung. Er ließ sie wissen, dass er von ihrer Präsentation beeindruckt war und die übrigen Vorstandsmitglieder seine Meinung teilten und dass das Institut damit rechnen durfte, Empfänger der diesjährigen Spende zu sein.
Es war kein kleiner Betrag, wie Kim wusste, und sie war hoch erfreut, mit dieser guten Nachricht ins Institut zurückzukehren.
Matt wartete bereits. Kim wusste, dass das nichts Gutes zu bedeuten hatte, und die allgemeine Stimmung im Büro war gedrückt. Irgendetwas war passiert. Sie vermutete, dass ihre Kollegen keine Einzelheiten wussten, doch alle spürten die Anspannung des Chefs.
»Du wolltest mich sprechen?«, fragte sie und blieb in seiner Tür stehen.
Er diskutierte gerade mit der KI über erwartete Kosten-Nutzen-Verhältnisse und führte die Unterhaltung fort, während er sie hereinwinkte. Er blickte sie nicht einmal dabei an, doch seine Stimme wurde spürbar kälter. Als er geendet hatte, schüttelte er den Kopf in einer Geste, als wäre das gesamte Universum eigens dazu geschaffen, ihn in den Wahnsinn zu treiben. Er signalisierte ihr, die Tür zu schließen, und startete ohne ein weiteres Wort die VR-Aufzeichnung.
Kim setzte sich, während das Bild Ben Tripleys Gestalt annahm.
»Das kam vor einer Stunde hier an«, sagte Matt.
Tripley saß in seinem Büro auf der Schreibtischkante. Er wirkte höchst ungehalten. »Phil«, sagte er, offensichtlich zu Philip Agostino gewandt, den Direktor. »Ich hatte Sie gebeten, diese Dr. Brandywine anzuhalten, sich nicht weiter in meine Angelegenheiten zu mischen. Jetzt hat sie eine polizeiliche Untersuchung verursacht und ungerechtfertigter Weise den Ruf meines Vaters in Frage gestellt.« Über Tripleys Schulter sah Kim die Frontsektion der Valiant. »Ich bin leider gezwungen, Sie darüber in Kenntnis zu setzen, dass ich meine Unterstützung des Instituts neu bewerten muss. Ihre Organisation verfügt offensichtlich über zu viel freie Zeit und eine Neigung, unglaubwürdigen Gerüchten hinterherzujagen. Sollte es in der Folge dieses Zwischenfalls dazu kommen, dass mein Ruf oder mein Besitz
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