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Spuren im Nichts

Spuren im Nichts

Titel: Spuren im Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt
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des Wortes. Die anderen waren ausnahmslos Skimmer. Der Untergang eines Schiffes war ein so seltenes Ereignis, dass alles, was versank, augenblicklich Volksrum wurde.
    Sie näherten sich vom Bug her. Kim aktivierte ihren Scheinwerfer. »Gruselig wie immer«, sagte Solly.
    Es war nicht das Adjektiv, das Kim benutzt hätte. Verlassen vielleicht. Oder aufgegeben.
    Und trotzdem hatte er in gewisser Hinsicht Recht.
    Sie glitten auf das Vordeck hinunter.
    Der zweite Überlebende hatte ausgesagt, dass der Kapitän alles in seiner Macht Stehende getan hatte.
    Der Name des unglückseligen Skippers war Jon Halvert. Er hatte die Passagiere mit einer Laterne zu den Rettungsbooten geführt, und Darstellungen des Ereignisses zeigten ihn stets mit hoch erhobener Laterne, während er Männern und Frauen half, von Bord des sinkenden Schiffes zu gehen. Doch es war bereits zu spät gewesen, und die Caledonian war in Sekundenschnelle durchgekentert und wie ein Stein untergegangen. Historiker glaubten, dass trotz der Untersuchungsergebnisse des Seefahrtsausschusses nichts, was der Kapitän hätte tun können, auch nur den geringsten Unterschied bewirkt hätte. Doch wie immer hatte man einen Verantwortlichen gesucht. Um die Schuld abzuwälzen.
    Kim spürte eine besondere Zuneigung für Halvert. Er war in ihren Augen ein Sinnbild des Menschlichen, hatte unter unmöglichen Umständen gekämpft, war schuldig, weil nicht perfekt und hatte trotzdem bis zum Schluss die Laterne hochgehalten. Doch am Ende hatte alles keinen Unterschied gemacht.
    Kaum ein Jahr nach dem Unglück war er gestorben, und die Legende besagte, dass sein Geist in der Nähe des Wracks schwebte.
    Taucher besuchen die Caledonian nur bei gutem Wetter. Wenn jedoch der Wind geht und Regen am Horizont steht, kann man zu der Stelle segeln und durch das Wasser nach unten blicken und noch immer die Laterne des Kapitäns sehen, die sich über Decks und Leitern bewegt, während er seine Passagiere zu den Booten drängt.
    Kim hatte diesen Abschnitt in Echte Gespenster Equatorias gelesen. Eine Version der Geschichte wollte wissen, dass er dazu verdammt war, die Suche fortzusetzen, bis das letzte Opfer gerettet war.
    Solly schien zu spüren, was sie dachte. »Dort ist er«, sagte er und lenkte ihr Aufmerksamkeit auf eine leuchtende Qualle über dem Backbord-Achterschiff.
    Sie schwammen weiter zum Ruderhaus und passierten die leeren Rahmen. Im Innern war nichts mehr übrig. Selbst die Halterung für das Steuerrad war verschwunden. Doch es war nicht schwer, sich die Reisenden in jener Nacht vorzustellen, die auf den Decks herumspaziert waren und sich auf eine Woche auf See gefreut hatten, als der Himmel plötzlich bedrohlich geworden war.
    Sie kamen an der Steuerbordseite hervor und schwammen nach achtern. Kim schwenkte ihren Armbandscheinwerfer, um das Innere zu erhellen. Die Kabinen waren ausnahmslos nackt und leer.
    Vierzig Minuten später tauchten sie wieder auf, kletterten an Bord der Sloop und zogen sich um. Dann teilten sie sich das Abendessen: Truthahn und Salat und kaltes Bier. Allmählich wurde es dunkel. Der Himmel war wolkenlos, das Meer spiegelglatt.
    »Dieser Platz ist ein gutes Beispiel dafür, was das richtige Bühnenbild bewirken kann«, sagte Solly. »Man hat das Gefühl, als könnte dort unten tatsächlich etwas Übernatürliches geschehen. Die Geschichten sind reine Phantasie, aber hier beim Wrack bin ich mir dessen gar nicht mehr so sicher. In den Wäldern rings um Severin ist es wahrscheinlich genauso.«
    »Die Regeln sind anders«, stimmte sie ihm zu. »Nimm das Licht weg, und plötzlich werden Werwölfe möglich.« Sie berührte ein Presspad, und aus den Lautsprechern erschallte leise Musik.
    Sie saßen in der Kabine, das Essen vor sich auf dem Tisch ausgebreitet. Am Horizont lagen ein paar Inseln. In der Ferne zog ein weiteres Segelboot dahin. Solly belegte sich ein Sandwich und biss hinein. »Kim«, sagte er, als er genügend gekaut hatte, um wieder reden zu können, »glaubst du eigentlich, dass Gespenster möglich sind?«
    Sie musterte ihn misstrauisch und stellte fest, dass er seine Frage ernst gemeint hatte. »Einen echten Geist zu treffen würde alles ändern, was wir über das Universum und die Naturgesetze glauben.«
    »Ich bin mir dessen nicht so sicher«, sagte er.
    »Warum?«
    »Ich habe an Bord der Persepholis gearbeitet. Dort gab es eine verwunschene Kabine.«
    »Verwunschen? Wie?«
    »Merkwürdige Geräusche. Stimmen, die sich niemand erklären

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