Spuren im Nichts
die Motoren, ohne dabei selbst getötet zu werden?«
»Vom Lander aus«, sagte er. »Aber wir müssen uns beeilen.«
Sie holten Emilys Leiche, dann führte Solly den Weg zum Hangar, wo er vor dem Kontrollpaneel stehen blieb. »Ich musste das noch nie selbst machen«, sagte er und tippte einen Befehl ein. Im Lander öffneten sich zwei Schleusen; die eine zum Cockpit, die andere zum Frachtraum. Sie verstauten Emily im Frachtraum und stiegen ins Cockpit. Solly nahm den Pilotensitz und begann, Knöpfe zu drücken. Die Energiezufuhr wurde eingeschaltet. Dann wandte er sich zu ihr um und blickte sie traurig an.
»Ich habe noch etwas vergessen«, sagte er. »Bleib sitzen, ich bin gleich wieder zurück.«
Er drückte ihren Arm und stieg aus.
Sie blickte ihm hinterher, während er durch den Hangar rannte und hinaus in den Korridor. Was konnte so wichtig sein, dass …?
Die Luke schloss sich, und die Verriegelung rastete ein. Sie blickte hinaus in den leeren Hangar. »Solly?«
Das Geräusch der Hauptantriebe änderte sich erneut.
Sie versuchte, ihn über ihren Kommlink zu erreichen. »Wo steckst du, Solly?«
Die Verbindungstür zwischen Hangar und Korridor schloss sich. Ein furchtbarer Verdacht stieg in ihr auf. »Solly!«
»Kim.« Seine Stimme drang aus dem Kommlink. »Kim, es tut mir so Leid.«
»Nein!«, schrie sie ihn an. »Das kannst du nicht tun …!«
»Ich habe keine Wahl, Kim. Hör zu …«
»Ich verstehe das nicht!«
»Ich kann die Hammersmith nicht vom Lander aus sprengen, Kim.«
»Aber du hast gesagt …«
»Ich habe gelogen. Es tut mir so Leid, Kim, aber ich habe gelogen. Hätte ich das nicht, hättest du darauf bestanden, bei mir zu bleiben, und das durfte ich nicht zulassen.«
»Dann komm zurück an Bord. Lass die Patrouille das tun! Sie können dieses Ding zur Hölle blasen!« Sie versuchte, die Luke zu öffnen, um aus dem Lander zu steigen, doch auf dem Kontrollpult blinkten rote Lampen und meldeten, dass der Luftdruck draußen bereits gefährlich weit abgesunken war. Alle Schotten waren verriegelt.
»Wir haben nicht mehr genügend Zeit, Kim! Sie werden kein Schiff des Instituts zerstören, nur weil wir das sagen! Dieses Ding wird entkommen. Es wird die Hammersmith mitnehmen, und die Außerirdischen werden alles über uns erfahren!«
»Bitte, Solly!«, schluchzte sie. »Tu es nicht.«
Der Lander setzte sich in Bewegung und löste sich aus seiner Verankerung.
»Ich kann dieses Ding nicht steuern, Solly!«
»Musst du auch nicht. Der Start erfolgt automatisch und bringt dich in sicheren Abstand. Danach sagst du dem Computer, er soll dich zum Patrouillenschiff bringen. Oder du wartest, bis sie dich aufsammeln.«
»Solly, ich will nicht ohne dich leben!«
»Ich weiß, Liebes. Ich habe es immer gewusst.«
Sie hämmerte mit den Fäusten gegen die Luke. »Nein, Solly! Nein, nein, nein …!«
»Lebwohl, Kim. Vergiss mich nicht.«
Sie kniff die Augen zusammen gegen die aufsteigende Tränenflut. Die Motoren vibrierten. Das Startkatapult klickte und heulte. Dann wurde der Lander nach draußen geschleudert, und sie war mitten zwischen den Sternen.
Eine weitere Stimme ertönte im Cockpit. Das Patrouillenschiff. »Bitte melden Sie sich, Lander. Was geht da vor?«
»Nicht, Solly! Tu es nicht!«, schrie sie. »Ich komme zu dir zurück! Lander, bring mich zur Hammersmith zurück!«
Doch ein blendend greller Blitz erhellte das Cockpit, und sie hörte die Stimme aus dem Patrouillenschiff sagen: »O mein Gott!«
22
Echte Freunde sind unsere größte Freude und unsere größte Sorge zugleich. Man möchte sich fast wünschen, dass alle wahren und geliebten Freunde an ein und dem gleichen Tag aufhören zu leben.
- FRANÇOIS FENELON, anlässlich des Todes des Duc de Chevreuse, 1714 A.Z.
Kim nahm nur am Rande wahr, dass sie von der Patrouille geborgen wurde. Sie gaben ihr Beruhigungsmittel und stellten einen weiblichen Offizier ab, der sich um sie kümmern sollte, bis das Mittel wirkte. Kim fiel in einen alptraumhaften Schlaf, in dem Solly noch lebte und mit ihr redete, als sei nichts geschehen, und das, obwohl sie die ganze Zeit über wusste, dass er tot war und dass es nur eine Zuflucht war, die so lange vorhielt, bis sie in der realen Welt wieder erwachte.
Sie bemerkte kaum, dass man sie auf eine Bahre legte und in Sky Harbour in einen Orbitallift verfrachtete und dass sie unten in einen Flieger getragen wurde.
Die reale Welt, als sie endlich zu sich kam, bestand aus weißen Laken,
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