Spuren im Nichts
Hilfe ein maßstabsgetreues Modell davon gebaut hatte? Was für eine köstliche Ironie, wenn Tripley in seinem Büro saß und das große Geheimnis ihm von seinem Bücherregal herunter ins Gesicht lachte!
»Ich bin flüchtig mit Ben bekannt«, sagte sie mitfühlend. »Ich weiß, dass ihm dieses Modell sehr viel bedeutet.«
»Ja.« Saras Augen wurden feucht. »Mehr ist wirklich nicht geblieben. Nicht viel für ein ganzes Leben, nicht wahr?«
Kim hätte sie am liebsten rundheraus gefragt, ob sie Hinweise darauf entdeckt hatte, dass Kim in der Villa gewesen war oder sonst irgendeine Frau, doch sie wusste nicht, wie sie es anstellen sollte, ohne Sara zu befremden. »Ich danke Ihnen, Mrs. Baines«, sagte sie nur.
»Wie soll der Titel lauten?«, fragte Sara.
»Welcher Titel?«
»Ihres Buches?«
»Oh.« Sie überlegte einen Augenblick. »Nachwirkungen.«
»Und Sie senden mir ganz bestimmt ein Exemplar, nicht wahr?«
»Ja«, sagte Kim. »Das werde ich.«
Das Nationalarchiv befand sich im Kaydon Center in Salonika, der Hauptstadt der Republik, im Lake Country und einhundertzwanzig Kilometer von Seabright entfernt. Salonika war eine Trophäenstadt, ein sehenswerter Ort voller Hochwege und Springbrunnen und Marmormonumente, die an die Geschichte Greenways erinnerten. Hier stand George Patkin und rief die Republik aus, dort war Millicent Hodge beim Aussetzen des ersten Schwarms Lachse in den See, der später den Namen Lake Makor erhalten sollte. Und im Liberty Green Park feuerte der einstige Astronom Shepard Pappadopoullo, nach dem Kims Haus-KI benannt war, während der Schlacht von Twin Rivers eine Rakete auf Henry Hox ab, den Sohn des Diktators.
Das Archiv war ein lang gestrecktes, nüchternes zweistöckiges Gebäude mit einer davor liegenden Mall und einem spiegelglatten Teich. Der Teich war gesäumt von Hemlocktannen. Spazierwege wanden sich über das gepflegte Gelände, und breite Marmorstufen führten zum Haupteingang hinauf, der bewacht wurde von einer Statue Erik Kaydons, des ersten Premiers von Greenway.
Kim seufzte und blickte einmal mehr auf das Bild ihres Ziels. Manville Plymouth, Assistant Commissioner für Archivaufzeichnungen des Verkehrswesens. Weil Plymouth Solly kannte, musste sie die Schmutzarbeit erledigen.
Sie trug eine silberne Perücke und Kontaktlinsen, um ihre Augenfarbe zu verändern.
Wenn er Feierabend hat, kommt er immer durch die Freedom Hall heraus, hatte Solly ihr erzählt. Er hatte die Vorbereitungen mit Unbehagen verfolgt und mehrmals den Ausdruck besessen benutzt. Hatte sie gedrängt, noch einmal gut über das nachzudenken, was sie zu tun im Begriff stand. Sie setzte nicht nur ihre, sondern auch seine Karriere aufs Spiel. Er hatte sogar damit gedroht, aus der ganzen Sache auszusteigen, was ihre Erfolgschancen gegen Null hätte sinken lassen, und das wusste er. Doch schließlich, als er gemerkt hatte, dass sie es trotzdem versuchen würde, war er geblieben.
Freedom Hall war die zentrale Rotunde des Gebäudes. Hier befanden sich die wichtigen Dokumente der Republik: die Menschenrechtsurkunde, die Gregory Hox die absolute Macht verwehrte, dem vierten und letzten in der Reihe der Diktatoren, die Artikel der Verfassung, die Erklärung über Pflichten und Rechte der Bürger sowie Joseph Albrights Ansprache in Canburry, mit der er den Rebellen in den dunklen Tagen der Revolution neuen Mut und neue Zuversicht gegeben hatte.
Es gab zahlreiche andere Dokumente, Briefe, Tagebücher und Artefakte aus der dreihundertsiebenundzwanzigjährigen Geschichte der Republik: Stanfield bei der Begrüßung Brodeurs, als die Erde ihr jahrhundertelanges Embargo beendete, Amahls handschriftliche Notizen betreffend die Opfer der Ärzte in Dubois, das Kapitänslogbuch der Regal, des ersten interstellaren Raumschiffs der Republik.
Beiläufig umrundete Kim die Galerie, während sie vorgab, interessiert die Objekte in den beleuchteten Schaukästen zu studieren.
Freedom Hall, hatte Solly erklärt, sei der einzige Ort im gesamten Gebäude, wo es ernste Sicherheitsmaßnahmen gab. Die Überwachung war lückenlos. Doch die routinemäßige Ablage nicht regierungsamtlicher Dokumente befand sich nicht hier, sondern im Ostflügel. Dort hatte es niemals Probleme gegeben, daher sorgte man sich wohl auch nicht um mögliche Diebe. Doch zuerst musste man in den Flügel gelangen, und dazu musste ein Scanner die DNS identifizieren und anschließend den Zutritt gewähren.
An dieser Stelle kam Manville Plymouth ins
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