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Spuren im Nichts

Spuren im Nichts

Titel: Spuren im Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt
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Hinsicht?«, fragte Kim.
    »Ich glaube, ich bekam eine bessere Vorstellung von dem, was ich in meinem Leben erreichen wollte. Was wirklich zählt.«
    »Und das wäre?«
    »Freunde.« Und mit einem Grinsen: »Schöne Frauen. Und guter Wein.« Er blickte zu den Kerzen, die an der Wand in einem großen Halter brannten. »Der Geruch von heißem Wachs.«
    Sie spürte, dass sie anfing, den Burschen wirklich zu mögen.
    Mein Gott, sagte sie sich, er ist ein Bürokrat. Schlimmer noch, er arbeitet für die Regierung. Er ist ein Fitness-Fanatiker. Wahrscheinlich ist das hier nicht mehr als eine Masche, mit der er jeder Frau begegnet.
    Er griff über den Tisch hinweg und berührte scheu ihre Hand. Sie hielt den Atem an, spürte, wie sich ihr Puls beschleunigte, stellte sich vor, wie sie sich von ihm überwältigen und irgendwo hin auf eine kleine Insel bringen ließ. Sie stellte sich vor, wie sie beide im Mondlicht an einem Strand entlang spazierten.
    Sicher. Er würde sich bestimmt für eine Frau interessieren, die ihn zum Narren hielt.
    Sie schwankte kurz, ob sie nicht das ganze Projekt einfach aufgeben sollte. Doch sie konnte nicht. Es ging einfach nicht. Es war sowieso viel zu spät dazu. Sie hatte ihm schon einen falschen Namen genannt.
    Trotzdem fragte sie sich, was Solly wohl dazu sagen würde, wenn sie in der Nacht nicht im Hotel auftauchte.
    Sie verließen das Restaurant und spazierten eine Stunde am See entlang. Die Unterhaltung wurde vertraulicher; sie bemerkte das Verlangen in seinen Augen und den Unterton in seinen Bemerkungen über die Arbeit im Archiv oder seine drei Mischlingshunde. »Ich segle gerne«, erzählte er. »Ich habe ein Segelboot auf dem Lake Winslett.«
    »Warst du schon einmal tauchen?«, fragte sie.
    »Nein. Aber ich würde es gerne einmal ausprobieren. Und du?«
    Sie nickte. »Irgendwie passt eine Beamtenkarriere nicht zu dir.« Sie erkannte augenblicklich, dass er ihre Worte falsch verstehen könnte und wünschte, sie hätte anders angefangen.
    Doch er zuckte nur die Schultern und lächelte, als wäre er an derartige Bemerkungen gewöhnt. Er mochte Statistiken und Ordnung. Es gefiel ihm, die Geschichte – die seinen Worten zufolge das reinste Chaos war – in Journale und Tagebücher einzuteilen, in Untersuchungsberichte und Aufzeichnungen über Transaktionen und dergleichen Dinge mehr und alles in zusammenhängender Form abzulegen und zu verwahren. »Das Katalogisieren der Geschehnisse gibt mir ein Gefühl, als hätte ich alles unter Kontrolle. Und ja, ich weiß genau, wie das in deinen Ohren klingt.«
    Unter anderen Umständen hätte sie es als hoffnungslose stupide, geisttötende Beschäftigung angesehen. Doch in seiner Stimme lag ein fröhlicher Unterton, wenn er darüber sprach, und er schien ganz genau zu begreifen, dass sie dachte, dass es eine Arbeit für einen schwerfälligen Intellekt war. Also zuckte er nur die Schultern und lachte auf eine sich selbst verspottende Weise, die sie fast völlig hilflos machte. »Wirklich, ich bin der geborene Archivar«, sagte er.
    Es fiel ihr alles andere als leicht, die Konversation mit ihm in Gang zu halten. Sie hatte sich einen falschen Namen zugelegt, und das zwang sie dazu, ein ganzes Lügengebäude zu errichten. Sie war Lehrerin, erklärte sie, und sie unterrichtete Mathematik. Man hatte ihr eine Stellung bei der Danforth University angeboten, und sie würde in etwa zwei Wochen dort anfangen. Zuerst hatte sie Probleme sich zu erinnern, dass ihr Name Kay war. Ein allgemeines Gefühl von Verwirrung begann sich in ihr auszubreiten.
    Gegen Ende des Abends wurde es immer schwieriger für sie, sich zu erinnern, was sie gesagt hatte, auf welchem Fachgebiet der Mathematik sie arbeitete oder an welcher Schule in Terminal City sie bisher gewesen und wann genau sie nach Salonika gekommen war. Hatte er diese Frage überhaupt gestellt? Sie war sicher, dass er danach gefragt hatte.
    Woher stammte sie ursprünglich?
    »Aus Eagle Point.«
    »Mein Bruder lebt dort, Kay. Aus welchem Stadtteil kommst du?«
    Welchen Stadtteil kannte sie? Sie musste sich einen Namen ausdenken. »Aus Calumet«, antwortete sie in der Hoffnung, dass er sich dort nicht auskannte.
    »Aha.« Seine Reaktion verriet, dass er den Ort sehr genau kannte. Spielte er jetzt mit ihr? Oder war er selbst nicht ganz ehrlich?
    Allmählich begriff sie, dass dieser Abend lange in ihrem Gedächtnis haften bleiben würde. Und sie stellte sich vor, wie sie in vielen Jahren an Mike Plymouth zurückdachte

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