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Spuren im Nichts

Spuren im Nichts

Titel: Spuren im Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt
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verbrachte, über die Wahrheit nachzugrübeln.

 
11
     
     
    In jedem ehrlichen Menschen wohnt ein Dieb, der nur auf die passende Gelegenheit lauert.
    - DELIA THOMAS, Caribee Annals, 449
     
    Das Päckchen traf am späten Nachmittag ein. Sie überprüften den Inhalt, einen einzelnen dünnen Handschuh, der sorgfältig in einer durchsichtigen Schachtel eingepackt war. Kim steckte die Schachtel mit dem Handschuh in ihre Jackentasche.
    Sie verbrachten den Tag mit einer Besichtigung der Stadt, auch wenn Kim viel zu nervös war, um es zu genießen. Sie pickte nur in ihren Mahlzeiten, und als die Sonne endlich langsam tiefer sank, nahmen sie einen der fahrenden Steige in das Kaydon Center. Die Temperaturen gingen zurück, und ein scharfer Wind war aufgekommen.
    Das Archiv sah in der Dämmerung kahl und freudlos aus. Die letzten Besucher kamen heraus und schlangen die Mäntel eng um sich. Die Kieswege und die Rampen waren vom Schnee geräumt. Ein Taxi hob gerade ab, als sie sich aus der Richtung des Sees näherten. Eine dünne Eisschicht hatte sich auf dem Wasser gebildet. Solly war ungewöhnlich still, während sie ihrem Ziel entgegenstapften.
    »Und du bist sicher, dass es keine visuellen Überwachungsanlagen gibt?«, fragte sie zum dritten oder vierten Mal.
    »Ganz sicher«, antwortete er. »Nur in der Freedom Hall. Oder wenn das System nicht mit deiner DNS einverstanden ist.«
    Sie dachte über die Konsequenzen für ihre berufliche Laufbahn nach, falls man sie bei ihrem Tun erwischte. Genau genommen hatte sie den ganz Tag kaum an etwas anderes denken können. Und sie hätte sich einen bereitstehenden Flieger gewünscht, für den Fall, dass sie hastig verschwinden mussten. Doch ein Flieger auf dem Landefeld hätte möglicherweise nur unnötig Aufmerksamkeit erregt. Wenn die Dinge schief liefen, hatte Solly gesagt, dann würde es so oder so keine Rolle spielen. Die Behörden würden wissen, wer sie waren, noch bevor sie das Gebäude verlassen konnten.
    »Und du bist immer noch sicher, dass du weitermachen willst?«, fragte er erneut.
    »Was werden sie mit uns anstellen, wenn sie uns erwischen?«
    »Farmarbeit, einige Monate lang. Vielleicht auch ein oder zwei Jahre im Kubus.« Der Kubus war eine transparente Zelle auf einem öffentlichen Platz. Jeder konnte den erbärmlichen Zustand sehen, in dem ein verurteilter Krimineller sein Dasein fristete. Verwandte, Familienmitglieder und Freunde wurden ausnahmslos benachrichtigt, und jeder konnte entweder persönlich kommen oder die Demütigung vom Wohnzimmer aus beobachten. Es war, so dachte sie, eine besonders grausame Methode der Bestrafung für eine vorgeblich so aufgeklärte Gesellschaft.
    Sie sah bereits die Schlagzeilen: SPRECHERIN DES INSTITUTS WEGEN EINBRUCHS VERHAFTET. EXPERTEN FRAGEN: WARUM WURDE BRANDYWINE KRIMINELL?
    Sie kamen vor dem Haupteingang an und wandten sich nach rechts auf einen Weg, der um das Gebäude herum führte. »Ich halte es für wenig sinnvoll, wenn wir beide hineingehen«, sagte sie zu Solly. »Ich weiß schließlich, wonach ich suche. Warum wartest du nicht draußen? Ich meine, …«
    »… ich bin jetzt so weit mitgekommen«, widersprach Solly. »Vielleicht brauchst du mich.«
    Sie verließen den Weg an einem Seiteneingang, gingen eine Rampe hinauf und standen vor einer Glastür. Dahinter verlief ein Gang mit Bürotüren.
    Der Leser öffnete sich klickend, und eine Zeile mit Instruktionen erschien: BITTE LEGEN SIE IHRE FINGERSPITZEN AUF DIE LINSE. BEWEGEN SIE SIE NICHT, BEVOR DER IDENTIFIKATIONS-PROZESS ABGESCHLOSSEN IST.
    Kim sah sich um und überzeugte sich, dass niemand sie beobachtete. Dann nahm sie die Schachtel aus der Tasche, streifte den Handschuh über, zog ihn straff und zeigte ihn Solly.
    »Perfekt«, sagte er.
    Sie legte die Fingerspitzen auf die vorgeschriebene Stelle. Das Schloss klickte, und die Tür glitt auf. Sie und Solly traten ein, und die Tür schloss sich hinter ihnen wieder.
    Der Korridor war lang und schattig, gesäumt von Türen, die hohe Decke grau und dringend renovierungsbedürftig. Die Türen waren transparent. Digitale Leuchtschilder blinkten auf, wenn sie sich den Türen näherten, und verrieten, was sich dahinter befand. Sie passierten Normen, Personal, Allgemeine Instandhaltung, Planung, Sicherheit, Spezialaufgaben.
    Außer ihnen schien sich niemand im Gebäude aufzuhalten. »Es gibt überhaupt nur neun oder zehn Angestellte, die hier arbeiten«, sagte Solly. »Während der normalen Arbeitszeit, heißt

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