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Spuren im Nichts

Spuren im Nichts

Titel: Spuren im Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt
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denken.
    »… steckt fest …«, sagte Solly. »Wenn du mich hören kannst, ich bin auf dem Weg. Halte durch!«
    Sie wollte ihm antworten, wollte ihm sagen, dass er Hilfe holen sollte und nicht selbst herunterkommen, doch es gelang ihr nicht, das Wasser aus der Maske zu vertreiben. Sie konnte nicht reden, nicht einmal schreien.
    Sie riss die Maske ab, löste den Atemschlauch, biss auf das Mundstück und atmete tief durch. Sie kam wieder so weit zu sich, dass sie klar denken konnte …
    Ich darf nicht hier bleiben.
    Sie versuchte, das Halteseil zu lösen, sich von den Ästen zu befreien, doch jede Bewegung wurde von der Strömung behindert.
    Solly würde ihr am Halteseil entlang nach unten folgen. Doch er wäre genauso wenig imstande wie sie, diesen Gewalten zu trotzen.
    Etwas krachte gegen ihren Knöchel. Die Strömung riss erneut an ihr, und ihre Schultern schmerzten. Fast hätte sie ihr Mundstück verloren. Sie hielt sich mit einer Hand am Halteseil fest, voller Panik, es könnte sich vom Gürtel lösen, während sie mit der anderen das Mundstück sicherte.
    Theoretisch konnte sie tagelang auf diese Weise durchhalten. Solange der Konverter arbeitete, konnte sie einfach warten, bis Solly Hilfe herbeigeholt hatte. Doch Solly würde keine Hilfe holen; er kam selbst nach unten.
    Wenn sie nichts unternahm, würden sie beide hier sterben. Oder zumindest sie.
    Ihr Handscheinwerfer erlosch.
    Sie bemühte sich, das Seil aus den Ästen zu lösen, doch es war zu stramm gewickelt. Sie traf eine Entscheidung, löste den Karabinerhaken vom Gürtel und befreite sich von der Leine. Dann stieß sie sich ab.
    Einen kurzen Augenblick lang wurde sie von der Strömung nach oben gerissen, dann krachte sie gegen eine Wand. Das Mundstück fiel heraus. Die Wand besaß Öffnungen, Durchlasskanäle, und sie wurde in einen davon gezogen. Der Konverter auf ihrem Rücken schrammte an der Wand entlang, und sie wurde in eine schmale Nische gedrückt. Sie tastete hektisch nach dem Mundstück.
    Sie steckte kopfüber fest, und das Mundstück musste irgendwo vor ihr sein, es musste einfach, aber es war nicht da. Sie konnte es nicht finden.
    Es war eine Schleuse. Ein Abflusskanal. Doch er war teilweise durch Trümmer verstopft. Der Konverter auf ihrem Rücken hatte sich zwischen Geröll und Steinen verfangen.
    Sie fand das Mundstück und schob es dankbar zwischen die Lippen. Die Luft schmeckte wundervoll. Doch sie musste gegen die aufsteigende Panik kämpfen.
    Sie würde auf keinen Fall auf dem gleichen Weg nach draußen gelangen, auf dem sie hereingekommen war, und die Öffnung war zu klein, um sich hindurchzuquetschen. Solange sie sich an ihr Atemgerät klammerte, würde sie an Ort und Stelle festsitzen.
    Erneut strampelte sie, um sich zu befreien.
    Wie weit mochte es sein, durch den Damm hindurch bis zur anderen Seite? Wie weit konnte es sein? Sicher nicht mehr als zwanzig Meter.
    Sie nahm tief Luft, löste die Schnalle des Konverters und spuckte das Mundstück aus. Die Strömung drückte sie gegen die Riemen, doch sie wand sich frei und stieß sich ab, tiefer hinein in den Durchfluss.
    Die Strömung riss sie mit, warf sie gegen Wände und Felsen. Sie versuchte, ihr Gesicht und ihren Kopf zu schützen. Einmal, für einige verzweifelte Sekunden, verfing sie sich erneut, doch das Hindernis brach beinahe im gleichen Augenblick.
    Die Flutwelle trug sie durch die Dunkelheit davon. In kurzen Zeitabständen hob sie den Kopf, in der Hoffnung, eingesperrte Luft vorzufinden, doch es gab nichts außer Wasser und Beton.
    Sie krachte gegen etwas Metallisches, ein Gitter wahrscheinlich oder ein Sieb, und tastete sich daran vorbei, dann bewegte sie sich wieder mit der Strömung, während sie sich verzweifelt an den Gedanken klammerte, dass das Wasser sie nur durch den Damm hindurch nach unten spülte, dass der Fluss direkt voraus lag und sie in wenigen Sekunden frei sein würde.
    Eine merkwürdige Stille ergriff von ihr Besitz. Als hätte irgendein Teil von ihr bereits aufgegeben und die Dunkelheit und das Wasser akzeptiert.
    Und dann war der Druck plötzlich verschwunden, und sie fiel.
    Der Fall hörte und hörte nicht auf. Das Wasser verwandelte sich in weiße Gischt, und sie erhaschte einen Blick auf den Fluss tief unten, das weiße Wasser und die dunklen Schatten. Sie atmete so tief durch, wie es nur irgend ging, richtete sich auf und prallte mit den Füßen voran auf. Sie sank in stille Tiefen. Dann, voller Freude, dass ihre Glieder noch zu funktionieren

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