Spuren im Nichts
zurück.«
Der Lichtschein wurde von irgendetwas reflektiert. Ein Stück weit zu ihrer Rechten. Zögernd stemmte sie die Hacken in den Boden, ließ das Maschinengehäuse los und schob sich vor.
Es war ein Stück Plastik, das aus dem Schlamm ragte. »Vielleicht habe ich etwas gefunden, Solly.«
»Was ist es? Kannst du es erkennen?«
Im Innern des Plastiksacks. »Ein Schuh.«
»Bist du sicher?«
»Ja.«
Sie zog daran. »Solly, es ist ein Fuß!«
»In Ordnung, ganz ruhig.«
»Das ist eine Leiche!«
»Bist du sicher?«
»Ich denke schon.«
»Mann oder Frau?«
»Meinst du das im Ernst? Ich sehe ein Bein, das ist alles!«
»Schon gut. Alles in Ordnung mit dir?«
Sie wusste, was er in diesem Augenblick dachte. »Mir geht es gut, danke.«
»Wie sieht sie aus?« Er klang wieder durch und durch geschäftsmäßig.
»Klein. Ich glaube, es ist eine Frau. Oder ein Kind.« Sie löste eine Leine von ihrem Gürtel und befestigte sie am Plastik. Doch dabei verlor sie den Halt, und die Strömung riss sie mit sich weg.
Sollys Stimme blieb ruhig. »Kim? Was ist los? Ist etwas passiert?«
Sie prallte hart gegen etwas, doch es gelang ihr sich festzuhalten.
»Kim?«
»Die Strömung hat mich gepackt.« Sie klammerte sich an einen Ast.
»Soll ich runterkommen und dir helfen?«
»Nein!«, rief sie. »Bei Gott, ganz bestimmt nicht!«
Die Strömung zerrte mit unverminderter Wucht an ihr und drohte ihre Maske abzureißen. Sie packte danach, schob sie wieder zurück und lauschte ihrem eigenen Atem.
»Ich denke, jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, um wieder nach oben zu kommen«, sagte Solly. »Wir können morgen früh die Behörden benachrichtigen. Sollen sie den Rest erledigen.«
»In welcher Richtung liegt oben?«, fragte sie. Die Frage war gar nicht scherzhaft gemeint: Sie brauchte seine Anweisungen, um wieder aufzutauchen, damit sie nicht an der falschen Stelle hochkam und von der Strömung in den Wasserfall gerissen wurde.
»Du musst dich ungefähr sechs Meter nach rechts bewegen, dann tauchst du direkt vor meiner Nase auf. Das Wasser ist an dieser Stelle ruhiger als überall sonst.«
Was nicht viel heißen musste.
Außerdem war es nicht ganz einfach, im trüben Wasser seinen Richtungsangaben zu folgen. Sie wurde bereits müde. Wie lange war sie überhaupt schon unten?
Sie benutzte die Jets, um nach rechts zu kommen.
»Halt, warte!«, rief Solly erschrocken. »Das ist genau die falsche Richtung!«
Doch der Fluss hatte sie bereits gepackt. Sie klammerte sich an einem Stück Eisen fest.
»Was ist los da unten, Kim?«
Sie wusste es augenblicklich. Ein Missverständnis. Sollys rechts war nicht ihr rechts gewesen.
»Tut mir Leid«, sagte er, als ihm endlich dämmerte, was geschehen sein musste. »Mein Fehler. Alles in Ordnung?«
»Mir geht es gut, falls du das meinst.«
»Mach dir keine Gedanken, dass du irgendwohin getrieben werden könntest, wo du nicht hin willst. Ich habe immer noch die Leine.«
Ihre Schultern schmerzten. Sie war in einen Wirbel geraten und benutzte ihn dazu, sich einen Moment lang auszuruhen, während der Fluss sie voran trug. Die Strömung schien stärker zu werden, und plötzlich taumelte sie durch das Wasser und wurde mitgerissen. Sie krachte gegen etwas und sah mit einem Mal blitzende Sterne. Das Halteseil zerrte an ihrer Hüfte. Der Fluss schoss an ihr vorbei und riss ihr die Maske auf die Stirn. Sie schluckte Wasser und verfing sich in einem Gewirr von Zweigen. Eisen oder Holz stach gegen ihren Bauch, und der Fluss zerrte und riss an ihr, doch sie kam nicht frei.
Die Strömung rauschte in ihren Ohren. Sie wirbelte Kim wie einen Spielball umher und raubte ihr die Luft.
Es gelang ihr, die Maske wieder aufzusetzen und das Wasser mit Hilfe des Entlüftungsventils auszublasen, doch es ging nicht schnell genug, und so half sie mit dem Mund nach. Trotzdem füllte sich die Maske augenblicklich wieder.
»Kim!« Sollys Stimme klang, als wäre er weit entfernt. »Alles in Ordnung?«
Sie versuchte zu antworten, doch das führte dazu, dass sie noch mehr Wasser schluckte. Das Entlüftungsventil schien nicht mehr zu arbeiten, und rings um das Glas strömte Wasser in die Maske.
»Kim, was ist da los?«
Sie leerte die Maske erneut, während sie versuchte, sich von dem Baum zu befreien. Doch die Halteleine brachte sie wieder zurück.
Sie hatte sich verfangen.
Und die Strömung war zu stark geworden – oder sie zu müde. Sie konnte nicht mehr dagegen ankämpfen, konnte nicht einmal mehr klar
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