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Spurlos in der Nacht

Spurlos in der Nacht

Titel: Spurlos in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unni Lindell
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misstrauisch.
    «Ich muss diese Schubladen öffnen», erklärte Cato Isaksen. «Und zwar sofort.»
    «Da kann ich Ihnen leider nicht helfen.»
    «Bitte, öffnen Sie die Schubladen so schnell wie möglich.» Cato Isaksens Geduld war jetzt fast zu Ende. Er wusste, was er suchte, und er war davon überzeugt, dass er es hier finden würde.
    «Ich glaube nicht, dass ich die Schlüssel zu diesen Schubladen habe», sagte der Wächter bestimmt.
    «Bitte, schauen Sie doch noch einmal nach.»
    «Nein, jetzt gehen Sie doch zu weit.» Der Wächter hob abwehrend beide Hände.
    «Ich muss diese Schubladen öffnen!» Cato Isaksen starrte ihn wütend an.
    Der Wächter schüttelte den Kopf. Cato Isaksen hielt seinen Blick fest, und endlich drehte der Mann sich widerwillig um und verschwand mit raschen Schritten im Gang.
    Cato Isaksen fuhr sich erschöpft über die Stirn, dann ging er zum Bücherregal und zog die Ordner und die Einzelunterlagen heraus. Er blätterte alles fieberhaft durch. Überflog den Inhalt der Ordner, um sie dann wütend zu Boden fallen zu lassen. Er war fast fertig, als der Wächter mit einem großen Schlüsselbund zurückkehrte. «Das ist noch die Frage», sagte er mit einem missbilligenden Blick auf den mit Papieren übersäten Boden. «Ich finde wirklich, jetzt reicht es bald», fügte er hinzu. «Jetzt muss Schluss sein», rief er dann plötzlich ängstlich. «Ich werde doch für alles zur Verantwortung gezogen!»   
    Cato Isaksen riss ihm das Schlüsselbund aus der Hand und machte sich über die Schubladen her. Er probierte eine Unmenge von Schlüsseln aus, bis endlich die oberste Schublade herausglitt. Er spürte, wie ihm der Schweiß aus allen Poren brach.
    Er ließ das Schlüsselbund auf den Boden fallen. Das klirrte laut und schrill. Er zog die oberste Schublade heraus und leerte ihren Inhalt auf dem Schreibtisch aus. «Sie können jetzt gehen», sagte er ohne den Wächter anzusehen.
    «Nein», sagte der empört. «Ich bleibe hier.»
    Cato Isaksen wühlte fieberhaft in den Briefen und den Unterlagen. Es gab Listen von Waffenlagern, Sprengstoffdepots und Bunkern, alle sorgfältig geordnet. Es gab Informationsschreiben und Kopien von Briefen anderer Ministerien. Es gab Informationen über politische Veranstaltungen und Listen von Personen des öffentlichen Lebens.
    «Das ist eigentlich für die Öffentlichkeit gesperrt», sagte der Wächter.
    Cato Isaksen achtete nicht auf ihn. Er ließ ein Papier nach dem anderen auf den Boden fallen. Dann durchsuchte er die beiden nächsten Schubladen, leerte schließlich die unterste auf dem Boden aus und ging daneben in die Hocke.

72
    Die Veränderung war mit dem Tod des Vaters eingetreten. Alf Boris hatte die Wohnung im ersten Stock übernehmen können. Wenn jemand verschwand, blieb für ihn mehr übrig.
    Er hatte gern die Kontrolle über andere. Er wusste, dass er nur über ein begrenztes Verhaltensrepertoire verfügte, das er immer aufs Neue wiederholte. Er hatte in einem Artikel gelesen, dass dieses Verhalten als ernsthafter pathologischer Narzissmus bezeichnet wurde. Er war klug genug, um zu begreifen, dass er krank war. Er hatte über narzisstische Wut gelesen. Die konnte viele Ausdrucksformen annehmen, meistens aber schlug sie sich in Racheakten nieder. Unrecht musste um jeden Preis gerächt werden. Kränkungen mussten um jeden Preis zurückgezahlt werden. Seine Mutter hatte das natürlich gewusst. Aber die Mutter war loyal gewesen. Vor einem Jahr jedoch hatte sie ihn auf frischer Tat ertappt, als er sich verkleidet hatte. Alf Boris hatte geglaubt, sie sei für mehrere Stunden ausgegangen, doch sie war zurückgekommen. Sie hatte vergessen, ihm etwas zu sagen, hatte ihn aber nicht gefunden und war in den Keller gegangen. Er hatte die Tür nicht richtig zugemacht. Plötzlich hatte die Mutter da gestanden und ihn angestarrt. Ihre Augen waren ängstlich gewesen. Sie hatte abwechselnd ihn angesehen und die Kleider, die in Reih und Glied auf den Ständern hingen. Sie sah Schuhe, Blusen, Mäntel. Den Schminktisch und den Spiegel. Sie erkannte den alten Stuhl, den sie schon vermisst hatte.
    Er hatte versucht, Haltung zu bewahren. Hatte versucht, sich nichts anmerken zu lassen. Seine Schminktasche lag mit rotem, klaffendem Schlund neben der rosa Waschschüssel. Er hatte einen Stift genommen und sich das Gesicht bemalt. Dicke Striche von den Augen über die Wangen. Den Weg, den auch die Tränen nahmen. Er hatte gefragt, ob sie ihn nicht schön finde. Seine Mutter

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