Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spurlos in der Nacht

Spurlos in der Nacht

Titel: Spurlos in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unni Lindell
Vom Netzwerk:
gefüllten Schlaglöcher. Es war jetzt fast ganz dunkel. Die Scheinwerfer bewegten sich hektisch hin und her. Er hatte das Ende der Straße erreicht. Auf dem Parkplatz standen keine Autos. Konnte er sich geirrt haben? Er stieg aus dem Wagen, knüllte die Karte zusammen und schob sie unter seine Jacke. Wütende Regentropfen trafen ihn, als er loslief.
    Er war auf dem kleinen Waldweg noch nicht weit gekommen, als er den weißen Passat entdeckte, der hinter einigen Büschen halbwegs versteckt war. Und nun wusste er, dass er genau richtig gedacht hatte. Er zog sein Telefon hervor und gab die Notnummer ein. Die Kollegin, die sich daraufhin meldete, hörte schweigend zu, als er seinen Namen nannte und um Verstärkung bat. Er erklärte so gut er konnte, wo er sich gerade aufhielt.
    Dann schloss er für einen Moment die Augen und spürte den Regen im Gesicht. Er holte tief Atem. Die Regentropfen wurden kräftiger. Dann lief er los.
    Er hatte keine Taschenlampe, er hatte nur das kleine blaue Licht an seinen Autoschlüsseln. Er lief zwischen den hohen Bäumen weiter, vorbei an dicken Farnwedeln, stieg über widerspenstige Büsche. Hier und da sah er die Lichter der verstreut liegenden kleinen Höfe. Ein Hund bellte und zerriss damit die Stille. Plötzlich blieb er stehen und horchte. Er glaubte, ein Stück weiter vor sich eine Bewegung auszumachen. Oder hatte er etwas gehört? Er lief auf eine Baumgruppe zu. Dornen bohrten sich in seine Wade. Die untersten Zweige eines Dornbuschs wollten seine Hose nicht loslassen, nicht einmal, als er sie zur Seite schob. Als er dann doch versuchte weiterzulaufen, stürzte er.
    Er spürte den feuchten Boden an seinen Wangen. Vor ihm zeichnete sich die gestreifte Landschaft vage ab. Die dunklen Erdfarben lagen nebeneinander wie viereckige Stoffstücke.
    Er versuchte, sich aufzurichten. Seine Handgelenke taten weh. Seine Hände waren von Lehm beschmutzt. Er bückte sich und wischte sich den feuchten Dreck von der Hose. Er richtete das blaue Licht auf seine Uhr. Er war seit einer Viertelstunde hier im Wald unterwegs. Er zog die Karte aus dem Hosenbund. Es gab nichts, womit er sie hätte vergleichen können. Keine Berggipfel, keinen See.
    Er stopfte die Karte wieder in die Hose und irrte weiter.

77
    Langsam wurde Kathrine wach. Sie war jetzt so müde, dass sie fast entschlossen war, nie wieder wachzuwerden. Als Erstes sah sie das Armband, das in der Dunkelheit sanft glänzte. Sie schrie laut auf, weil ein scharfes Licht in den Raum hereinwogte. Er stand dicht neben ihr. Flüsterte ihr zu: «Kathrine. Du wirst sterben.» Er war schon wieder da. Das konnte doch nicht stimmen. Er kam sonst nur selten.
    «Schluss mit dem Gejammer. Ich kann dieses erbärmliche Verhalten nicht ertragen.»   
    Sie packte die eine Krücke, die sie hinter der Matratze bereit gelegt hatte. Sie kam ihr schwerer vor denn je. Sie schlug zu und fuchtelte wild um sich. Ihr Oberarm schmerzte. Sie hatte das Gefühl, sich in zwei Welten zu befinden. Ihr Gehirn war davon überzeugt, dass alles ein Traum sein musste. Aber sie wusste, dass sie niemals so klar träumen könnte.
    Die Pistole wurde abgefeuert, doch die Kugel traf sie nicht. Sie spürte ihn über sich. Schlug auf seinen Mund. Sie konnte seine aufgerissenen Augen ahnen, die sie verachtungsvoll anstarrten, doch er sagte nichts. Sie klang nicht wie sie selber, als sie schrie.
    «Das alles passiert nur, weil du eine Verräterin bist», rief er und packte ihre Hand. Als Nächstes spürte sie eine klebrige Feuchtigkeit und wusste plötzlich, dass das sein Mund war. Seine Zähne bohrten sich in ihre Finger und bissen bis auf den Knochen zu.
    Sie schrie auf. Es tat entsetzlich weh, doch als sie ihre Hand befreien konnte, konnte sie noch einmal zuschlagen. Einen Moment später war alles still. Plötzlich merkte sie, dass hinter ihm die Tür offenstand. Es war ein seltsames Gefühl, die frische Luft im Gesicht zu spüren. Offenbar hatte er auch die Eingangstür offen gelassen. Solche Luft hatte sie schon lange nicht mehr wahrgenommen. Und aus der Ferne hörte sie Regentropfen, die auf Metall schlugen.
    Die Rettung, die sie so oft erträumt und sich ausgemalt hatte, kam ihr jetzt direkt abstoßend vor. Je frischer die Luft wurde, um so tiefer zurück in den Raum kroch sie. Sie wollte aufstehen und laufen, aber das gelang ihr nicht. Sie wollte lieber die Augen schließen. Sie wollte sich ausruhen. Aber dann hörte sie ihn neben sich auf dem Boden jammern. «Hat die Kugel dich

Weitere Kostenlose Bücher