Spurlos in der Nacht
noch mehr Gesellen wie dich.»
«Jetzt hör aber auf», sagte Cato Isaksen kurz.
«O Scheiße», sagte Roger Høibakk grinsend. «Du denkst doch nur ans Vögeln.» Ein Lächeln verbreitete sich über sein müdes Gesicht.
Cato Isaksen winkte mit dämlicher Miene ab. Dann lachte er kurz. Er konnte nicht dagegen an, obwohl es ihn maßlos ärgerte, dass Roger die Sache mit ihm und Ellen durchschaut hatte.
Roger verließ das Zimmer. Cato Isaksen drückte auf den Startknopf des Tonbandgerätes. Einige Sekunden später hallte Heidi Greakers Stimme durch den Raum:
Wenn ich nachts Auto fahre, sehe ich ab und zu Dinge, die sich mir für einige Sekunden einprägen. Ich fahre in der Dunkelheit vorüber und registriere vielleicht einen Menschen, der die Straße entlanggeht, und bin für einen Moment erfüllt von dem Fremden, von dem Zeitpunkt, der Bewegung und dem Ort. Und dann vergesse ich das alles wieder.
Warum ist Ihnen das Mädchen aufgefallen, und warum der Zeitpunkt?
Da kam einfach alles zusammen.
Machte sie einen ängstlichen Eindruck?
Ich glaube, nicht. Es war eher, dass es so spät und so dunkel war, und dass sie so jung aussah. Und dann waren da noch die Krücken.
Cato Isaksen drückte auf den Aus-Knopf. Georg sagte, er habe Hunger, der Vater versprach, unterwegs etwas zu kaufen. Richtig essen würden sie später alle zusammen, wenn Bente vom Besuch bei ihrer Freundin zurückgekehrt wäre.
6
Es war gegen vierzehn Uhr, am Samstag, den 10. März. Cato Isaksen wollte selbst mit Alf Boris Moen sprechen. Bisher hatte er das Roger Høibakk und Randi Johansen überlassen. Obwohl es Samstag war, hatte sich Moen vormittags zu einer kurzen Vernehmung durch Asle Tengs auf der Wache eingefunden. Mental habe er den ersten Schock jetzt überwunden, hatte er gesagt. Aber die Sache machte ihm doch sichtlich zu schaffen. Im Verteidigungsministerium arbeitete er in einem Büro. Er hatte sich für einige Tage krankgemeldet. Was ja, in Anbetracht der Ereignisse, kein Wunder war.
Cato Isaksen und Randi Johansen gingen den Kiesweg zur John-Colletts-Allee 51 hoch. Der weiße Wagen stand vor dem Zaun. Das graubraune längliche Steinhaus lag in einem kleinen Garten, der in mehrere Parzellen aufgeteilt war. Das Haus hatte vier Wohnungen, die Haustüren lagen in den Querwänden. Das Gras war tot, die Bäume braun und traurig. Bald würde alles grün werden. Ein Hauch von Unruhe durchfuhr Cato Isaksen. Es war Frühling, und Ellen Grue würde bald heiraten. Das Gefühl von Verlust war ihm so vertraut. Er hatte ein schlechtes Gewissen. Bente hatte gesagt, sie könne Georg mit zum Einkaufen nehmen. Er hatte versprochen, rechtzeitig zur Kinderstunde im Fernsehen zu Hause zu sein. Cato Isaksen und Randi Johansen gingen die Steintreppe hoch und klingelten.
«Vorgestern war der internationale Frauentag», sagte Randi Johansen plötzlich und zog ihre Jacke fester um sich zusammen.
Cato Isaksen fuhr herum und sah sie an.
«Ja, das weiß ich», sagte er. «Was hat das mit dem Fall zu tun?»
«Moen arbeitet doch im Verteidigungsministerium.»
Randi zuckte mit den Schultern.
«Glaubst du, er hat da Zugang zu Waffen? Das habe ich mich schon gefragt», sagte Randi.
«Kaum. Im Gegenteil, möchte ich meinen. Ich frage mich nur, ob er eine militärische Ausbildung besitzt.»
Bald hörten sie auf der Treppe schwere Schritte. Die Tür wurde geöffnet. Alf Boris Moen nickte Randi Johansen zu und bat beide herein. Er reichte Cato Isaksen die Hand, und der betrachtete ihn interessiert und versuchte, sich einen eigenen Eindruck von diesem Mann zu machen. Moen war ziemlich klein, hatte ein rundes Gesicht und fast keine Haare mehr. Cato Isaksen fielen seine kräftigen Hände auf. Als sie hinter ihm die Treppe hochgingen, sah er außerdem, wie breit der Hintern dieses Mannes war.
Randi Johansen warf einen Blick auf die Tür der Wohnung, in der Brenda Elise Moen gewohnt hatte. Die Tür war versiegelt. An den Wänden im Treppenhaus hingen Plakate mit Bildern der königlichen Familie. Cato Isaksen erkannte auch die schwedische und die dänische Königsfamilie, dazu ein altes Plakat, das König Haakon in Kriegszeiten zeigte.
Die Wohnung, die vielleicht siebzig Quadratmeter groß war, bestand aus zwei kleinen Wohnzimmern, einer ziemlich großen Küche und einer Tür, die vermutlich in ein Schlafzimmer führte. Sie wies eine seltsame Mischung aus maskulinen und femininen Einrichtungselementen auf. Alf Boris Moen war sichtlich stolz auf seine
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