Spurlos in der Nacht
Theater findet. Ist die Wirklichkeit nicht spannend genug?»
André Hansen veränderte sich, wurde plötzlich aggressiv. «Wenn Sie das nicht begreifen, dann begreifen Sie das eben nicht», sagte er. «Dann haben Sie eine Sperre im Kopf. Ich scheiße auf die Wirklichkeit. Die ist mir total schnurz.»
«Warum das?»
«Sie ist gleichgültig.»
«Aber du gehst in die Schule. Woher nimmst du die Zeit?»
«Wir spielen meistens nachts und am Wochenende. Beim Rollenspiel tanke ich neue Energie für die Schule. Aber die Wirklichkeit ist unterlegen», erklärte er und wollte plötzlich loslachen. Der Ermittler sah so verdammt blöd aus, wie er da saß. Er kapierte nichts. Einfach nichts. André Hansen konnte sich kaum beherrschen. Also hustete er nervös. Das ernste Gesicht des Ermittlers ließ ihn dann wieder unsicher werden. Was lief hier eigentlich ab? Wusste die Polizei etwas, was sie nicht verraten wollte?
24
Es war ziemlich still in der Stadt. Viele waren in die Berge gefahren, um Schnee und Ostersonne zu genießen. Bente und Vetle waren am Morgen aufgebrochen. Die meisten Kollegen aus Cato Isaksens Team hatte keine Zeit für so etwas. Während sie gespannt auf die Analyse des Blutes warteten, arbeiteten sie weiter an den beiden Fällen. Roger Høibakk und Preben Ulriksen waren in Akershus gewesen und hatten sich im Verteidigungsministerium nach Alf Boris Moen erkundigt. Randi Johansen und Ale Tengs hatten versucht, Brenda Moens Freundinnen zu erreichen, was ihnen aber nicht gelungen war. Die beiden alten Damen waren offenbar viel unterwegs. Immerhin hatten sie noch einmal mit Brenda Moens Nachbarn sprechen können.
Nach einer kurzen Besprechung, in der Cato Isaksen über neue Erkenntnisse in Sachen Lars Lofthus berichtete, fuhr er nach Drøbak. Er war wieder allein unterwegs, obwohl das sonst eigentlich nicht üblich war. Er wollte noch einmal mit Kenneth Hansen sprechen, fuhr aber zuerst bei Stenbergs vorbei, wo soeben die Entwässerungsgräben und die hohen Komposthaufen untersucht wurden. Die Arbeit ging ihren Gang. Etwas Interessantes war bisher nicht gefunden worden.
Cato Isaksen fuhr zehn Minuten später weiter und hatte gerade gehalten, als Kenneth Hansen aus dem Haus kam.
Als Kenneth den Ermittler erblickte, wäre er am liebsten weggelaufen, riss sich aber zusammen. Wozu hätte das schon gut sein sollen? Die Müdigkeit lag in seinem Kopf wie Watte. Er und Lars waren erst um drei Uhr nachts aus Schweden zurückgekommen. Er war gerade erst aufgestanden. Lars war den ganzen Tag schrecklich nervös gewesen. Ihm ging es auch nicht anders. Er brauchte nicht in die Schule zu gehen, sie hatten Osterferien. Seine Mutter saß an der Mautschranke. André hatte angerufen und erzählt, dass er zur Vernehmung bestellt worden war. Als Kenneth das erfahren hatte, war er aufs Klo gegangen und eine halbe Stunde dort sitzen geblieben.
Cato Isaksen ging mit Kenneth Hansen ins Haus und nervte Kenneth wieder wegen seiner Beziehung zu Kathrine. Er glaubte ganz offenbar, dass Kenneth ihm etwas verschwieg. Was er ja auch tat. Was mochte André bei der Vernehmung gesagt haben? Kenneth antwortete so gut er konnte. Der Ermittler setzte ihm auch wegen Lars zu. Aber Kenneth konnte nichts dazu sagen. Zum Glück wurde er nicht nach dem Ausflug nach Schweden gefragt. Davon wusste der Polizist wohl nichts. Lars und er hatten ein Bier zuviel getrunken, um ihre Nerven zu beruhigen, und waren dann trotzdem zurück nach Norwegen gefahren. Jetzt saß der Ermittler vor ihm und fragte und bohrte und wollte wissen, was er und Kathrine im Boot gemacht hatten.
Kenneth Hansen musterte ihn düster und zuckte mit den Schultern. «Ja, wir haben im Boot gevögelt», sagte er endlich. «So what?»
Cato Isaksen sah ihn an.
Die Erwachsenen waren so blöd. «Das tun doch alle», sagte er. «Wozu sollte man sonst zusammen sein?»
«Hast du sie dazu gezwungen?»
«Verdammt. Natürlich nicht.»
«Es wird aber behauptet.»
«Es wird behauptet. Von wem denn wohl? Von Maiken?»
Cato Isaksen gab keine Antwort.
«Die ist so schrecklich prüde, klar», sagte Kenneth Hansen und schaute zerstreut aus dem Fenster. Plötzlich veränderte sich seine Miene. «Hat Tage das gesagt?», fragte er gereizt. «Das mit dem Boot?»
«Ja.»
«Er hat mich einmal zusammengeschlagen. So richtig. Er hat uns da unten erwischt. Ich dachte schon, er würde mich ins Wasser werfen.»
Cato Isaksen schwieg.
«Ist das vielleicht erlaubt? Ist das erlaubt? Das möchte ich
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