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Spurlos

Spurlos

Titel: Spurlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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wagte sie in den Rückspiegel zu sehen. Doch niemand näherte sich dem Mülleimer. Sie bog gleich noch einmal links ab, und parkte am Hintereingang von Woolworth.
    Auf ihrer Uhr rückte der Sekundenzeiger in unendlicher Langsamkeit vorwärts – und ihr Handy schwieg. Christine würde sich melden, sobald sich etwas am Mülleimer tun würde. Vier Minuten und zwanzig Sekunden nach drei. Der Schweiß sickerte am Bauch durch ihr Kleid. Ihre Oberschenkel klebten, und ihr Herz hämmerte. Drei junge Männer in Shorts und ausgeleierten T-Shirts, mit vier schweren Woolworth-Tüten beladen, schlurften mit ihren Gummilatschen über den heißen Asphalt. War ihre Plastiktüte darunter? Hinter ihnen kam ein ausgemergelter Mann in einem ölverschmierten ärmellosen Hemd über gelb glänzenden Sportshorts auf dem Bürgersteig vorbei. Auch er trug zwei Tüten.
    Als das Handy schrillte und sie danach greifen wollte, entglitt es ihr vor Aufregung. Fluchend bückte sie sich hinunter in den Fußraum, zog es zwischen den Pedalen hervor und drückte endlich auf die Taste.
    „Stell dir vor ...“, Christine war außer Atem. „... ein dunkler Van ist vor den Mülleimer gefahren, hat mir die Sicht versperrt, und als er wieder wegfuhr, bin ich ihm hinterher. Dann hielt er vor einer Ampel. Ich bin ausgestiegen – und weißt du, wer drin saß?“
    „Nein! Jetzt sag’ schon!“
    „Eine Frau mit einem Baby!“
    „Na und, vielleicht hat er ja seine Frau geschickt? Hast du das Nummernschild?“
    „ Alison …“
    Etwas in der Stimme ihrer Schwester machte sie stutzig.
    „Christine, wir hatten vereinbart, dass du die Nummer…“
    „Mein Gott, ja! Beruhig dich … du bist ja völlig hysterisch!“
    „Ich darf hysterisch sein! Unter diesen Umständen darf ich so hysterisch sein, wie ich will!“
    „ Hör’ zu. Die Sache ist die ...“ Sie zögerte. „Die Tüte ist weg.“
    „ Christine, du hast mir versprochen …“
    „Ich hab’ dir gar nichts versprochen, ich hab’ dir nur meine Hilfe angeboten …“
    „Schöne Hilfe!“
    „Ich konnte doch nicht ahnen, dass dieser Van …“
    „Mensch, Christine, das war alles deine Idee! Ich hätte mich auf diese Sache überhaupt nicht einlassen sollen!“
    „Es tut mir leid, Alison.“ Christine klang ungewohnt kleinlaut.
    Sie hörte Christine Atem holen. „ Es tut mir wirklich leid.“
    Nein, das hatte sie noch nie von ihrer Schwester gehört, und irgendwie war sie gerührt.
    „Alison? Ich war zu aufgeregt, um … es tut mir leid … wirklich …“ Christine verstummte.
    Die Stimme ihrer Schwester hallte in ihren Ohren.
    „Schon gut, Christine.“ Sie drückte auf die Beenden-Taste, lehnte sich zurück und starrte durch die staubige Scheibe. Sie hatte sich eben freigekauft - oder nicht?

6
    Shane hatte es vor ihr gewusst – und ihr nicht Bescheid gegeben!
    G ekränkt stieß Tamara den Einkaufswagen vor sich her. Sie hatte ihn mit Lebensmitteln und Toilettenartikeln vollgeladen, die ihre Mutter in krakeliger Handschrift auf einem kleinen karierten Zettel notiert hatte.
    Er nimmt meine Recherchen nicht ernst , dachte sie. Wie sonst ließ es sich erklären, dass er ihr erst etwas von der Entdeckung der Powerplatte sagte, nachdem sie ihm von Steve Whitlams Bemerkung über Patty Bensons Besuch beim Esoterik-Kurs berichtet hatte?
    Arbeiten wir zusammen oder nicht?, hatte sie ihn wütend angefahren. Schließlich hatte er sich entschuldigt, die Sache mit Costarelli habe ihn durcheinander gebracht.
    An den Kassen stauten sich lange Schlangen, wie immer am Samstag, und bevor sie sich für eine Reihe entschied, kontrollierte sie zum dritten Mal die Liste, um sicherzugehen, dass sie nicht etwas übersehen zu hatte. Dann, das wusste sie, wäre ihre Mutter tödlich beleidigt und würde ihr vorwerfen, sie und ihren Vater nicht ernst zu nehmen, lieblos und undankbar – und egoistisch zu sein. Diesen Auftritt wollte sie sich ersparen.
    Toilettenpapier, Zahnpasta, Wattebäusche, Barbecue-Chips, Käse-Chips, Sauercreme-Chips, Cheddar-Käse, Zwiebel-Dipp, Brot, Aspirin … Sie hatte alles – bis auf den Alkohol, den sollten sie sich selbst kaufen.
    Für sich hatte sie nur das Nötigste in den Wagen geladen. Ihr fehlte jegliche Inspiration. Sie reihte sich in die kürzeste Schlange ein und hoffte, dass es hier am schnellsten ging. Während sie wartend dastand, fiel ihr Blick auf die Schlagzeile einer der Zeitungen im Regal vor der Kasse.
    „Entschuldigen Sie, ich möchte nur die Zeitung“, murmelte sie

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