Spurlos
sich um und ging hinaus.
Die Hitze nahm ihr den Atem. Sie ließ sich auf einen der freien Stühle unter dem Sonnenschirm sinken. Ihr Herz setzte aus, stolperte, stach, ihr Kopf drohte zu platzen und vor ihren Augen verschwamm alles.
Nur gedämpft nahm sie wahr, wie sich am Nebentisch eine Frau zu ihr umdrehte.
„Ist Ihnen schlecht?“, hörte sie sie fragen.
Dann hielt Alison auf einmal ein Glas Wasser in der Hand.
„Trinken Sie, Sie müssen trinken!“, sagte die Frau, deren Gesicht ganz nah war. Vielleicht half ihr die Frau, jedenfalls spürte sie den harten Glasrand an ihren Lippen und dann etwas Lauwarmes, das ihre Kehle hinunterrann.
„Geht es jetzt besser?“
Alison wollte aufstehen.
„Wollen Sie doch noch ein bisschen sitzen bleiben“, sagte die Frau.
Alison schüttelte den Kopf. „Es geht schon wieder. Haben Sie vielen Dank.“ Sie nahm alle Kräfte zusammen und hievte sich aus dem Stuhl. Ihre Beine zitterten. Im Schatten unter dem Dach der Post an der Cavenagh Street holte sie ihr Handy heraus und rief Christine an. Viermal vertippte sie sich, bis sich Christine endlich meldete.
„ Hast du die Nachrichten gesehen?“, schrie sie ins Telefon.
„Alison, jetzt komm’ mal runter. Wenn du so schreist, verstehe ich kein Wort.“
„ Christine! Ich bin fix und fertig! Hast du gehört, was er mit den Frauen macht?“
„Ja, ja, ich verstehe dich ja, Alison. Aber wir müssen jetzt einen klaren Kopf behalten.“
Alison atmete mehrmals tief ein und aus. Ja, sie musste einen klaren Kopf behalten. Zwei Aborigines schlurften gemächlich auf dem Bürgersteig vorbei, ohne von ihr Notiz zu nehmen.
„ Alison, du musst mir jetzt vertrauen. Ich bin deine Schwester, auch wenn ich nicht mehr so richtig zur Familie gehöre. Ich bin deine Schwester und werde auch immer deine Schwester sein.“
Christines Stimme beruhigte sie tatsächlich.
„Hör zu: Phil hat mir hoch und heilig geschworen, dass er nichts, absolut nichts mit der Sache zu tun hat. Er ist kein Mörder, verstehst du? Er hat vielleicht ein paar krumme Dinger gedreht, aber er ist kein Mörder. Hast du das verstanden?“
„Ja.“
„Dann sind wir schon ein Stück weiter. Pass auf: Wenn du zur Polizei gehst, und ihnen alles erzählst, dann sage ich dir, was passieren wird: Die Bullen werden Phil auseinander nehmen. Dann werden sie mich durchleuchten. Und dann werden sie genau wissen wollen, wofür du das Geld bezahlt hast. Und wieso sollten sie dir glauben, dass es nur tausend Dollar waren und nicht zehntausend, mit denen man einen Killer beauftragen kann?“
Alison hörte Christine kurz Luft holen, vielleicht rauchte sie auch eine Zigarette. „Du kannst nicht beweisen, wie viel Geld du Phil gegeben hast.. Und außerdem, Alison …“
Welches Argument hatte ihre Schwester noch auf Lager? Sie war schon jetzt überzeugt, dass es unsinnig wäre, zur Polizei zu gehen.
„Was glaubst du, kann die Polizei für dich tun? Glaubst du, sie stellt dich unter Polizeischutz? Ha, ich höre immer nur, wie wenig Leute sie haben! Sie werden euer ganzes Leben durchleuchten. Sie haben dich in ihren Fängen und geben dich erst wieder frei, wenn sie einen haben, dem sie alles anhängen können.“
Alison hörte das aufschnappende Feuerzeug am anderen Ende der Leitung.
„Bl eiben wir mal ganz cool“, redete Christine weiter. „Was sind schon zehntausend Dollar für dich?“
„ Christine, ich habe doch gar keine Garantie, dass es bei den zehntausend bleibt. Wer einmal zahlt, zahlt immer.“
„Ja, und du hast schon mal gezahlt.“
Damit hatte alles angefangen ...
„ Christine! Du bist überhaupt keine Hilfe!“
„ Alison, beruhige dich. Ich glaube wirklich, dass es das Einfachste ist, wenn du das Geld bezahlst und ihm klarmachst, dass es das letzte Mal ist.“
Alison seufzte. „Wie soll ich das jemandem klar machen, der Frauen aufschlitzt?“ Die Situation war ausweglos.
Christine stöhnte. „Er wird wissen, dass er nicht zu viel verlangen kann. Dass du dann zur Polizei gehen wirst.“
Alison versuchte ihren Verstand zu sammeln. Hatte ihre Schwester nicht recht? Sollte sie es nicht noch einmal probieren und ein letztes Mal bezahlen?
„Und?“, tönte Christines Stimme aus dem Hörer.
„Was und?“
„Hast du dir überlegt, was du tun wirst?“
Alison atmete einmal tief ein und langsam wieder aus. Dann sagte sie: „Ich zahle ein letztes Mal.“
„Wenn du willst, kann ich dabei sein und die Stelle beobachten. Vielleicht schnappen wir
Weitere Kostenlose Bücher