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Spurlos

Spurlos

Titel: Spurlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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niedrigem Buschwerk wie zwei riesenhafte, urzeitliche Eier. Unter ihren Pumps knirschten feine Steine, als sie zu der Stelle ging, die sie vom Foto her kannte. Die beiden fast mannsgroßen Steinbrocken hatten nicht nur einen guten Sichtschutz zum Weg geboten, sie verliehen dem Platz auch etwas Magisches.
    D er Mörder hatte ganz bewusst diesen Platz gewählt. Weit und breit waren keine weiteren Felsen zu sehen. Sie hätte feste Schuhe anziehen sollen. Die harten Grashalme stachen in ihre nackten Knöchel, und sie wusste sehr gut, dass Schlangen und giftige Spinnen im Unterholz lauern konnten. Sie erreichte die Felsen und berührte die raue, poröse Oberfläche. Von dem Zeichen war nichts zu erkennen. Nach so vielen Jahren war jeder Farbpartikel längst verblasst oder abgewaschen.
    Patty Benson, dachte sie, hier war also dein Ende.
    Er hatte sie in den Kofferraum gesperrt. Ihre Hände und Füße waren gefesselt , und er hatte ihr den Mund verklebt. Patty spürte, wie der Wagen von der geteerten Fahrbahn abbog. Lieber Gott, lass mich nicht sterben, betete sie, obwohl sie sonst nicht an Gott glaubte. Doch jetzt glaubte sie an ihn und sie würde ihr ganzes weiteres Leben an ihn glauben, wenn er ihr jetzt helfen würde.
    Sie stieß mit dem Kopf an den Kofferraumdeckel, und wurde dann wieder auf den Boden zurückgestoßen. Jeder Knochen schmerzte und sie bekam kaum Luft, vielleicht würde sie ja noch ersticken ... vorher ... bevor er sie ermorden würde. Er würde sie umbringen, das wusste sie, und er würde es nicht auf die schnelle Tour machen, das wusste sie auch. Der Wagen hielt. Ihre Knie rammten das Kofferraumblech. Er stellte den Motor ab. Lieber Gott, bitte, hilf mir, bitte …
    Er öffnete die Autotür, sie hörte das Knirschen seiner Schritte auf den Steinen. Sie waren an einem abgelegenen Platz, dort, wo niemand war, wo niemand ihr zur Hilfe kommen könnte … Der Kofferraumdeckel hob sich. Sein Gesicht vor dem Schwarz des Himmels. Er zerrte sie aus dem Kofferraum, legte sie über seine Schulter wie ein Lamm, das geopfert werden soll, schleppte sie ins Gebüsch und warf sie auf die harte Erde. Neben ihrem Kopf waren zwei Felsbrocken, über ihr leuchteten die Sterne. In diesem Moment verschwand jede Hoffnung. Sie wusste: Nie wieder würde sie einen Sternenhimmel sehen, nie wieder ... Was jetzt kommen würde, wäre das Schlimmste. Nein, noch schlimmer. Würde er sie vergewaltigen und dann erwürgen? Würde er sie mit einem Messer vergewaltigen? Sein Gesicht schob sich vor die Sterne. Sie sah die Klinge blinken. Sie schloss die Augen und spürte einen scharfen Schmerz. Das war das Letzte in ihrem Leben …
    Tamar a schrak hoch. Ihr Herz schlug hart und schnell, ihre Handflächen waren feucht, und in ihrer Kehle steckte ein Kloß. Die Erinnerung war wieder in ihr hoch gestiegen, an jenen Highschool-Sommer – und an Ellen Hunt … Nimm’ dich zusammen, murmelte sie. Das alles hat überhaupt nichts mit dir zu tun. Nichts.
    Sie drehte sich um. Todd war bei den Autos stehen geblieben und beobachtete sie.
    „Was meinen Sie, warum ausgerechnet hier?“ , rief sie zu ihm herüber.
    „Er war doch Aborigine, oder? Er kannte sich aus.“
    McNulty stammte aber nicht aus dieser Gegend, für ihn bedeuteten die Felsen womöglich gar nichts. Doch sie erwiderte nichts, verscheuchte stattdessen die Fliegen von ihrem Gesicht.
    „Es hatte geheißen , die Morde seien wie ein Opferritual durchgeführt worden. Und der Täter war offensichtlich ein sehr, wie soll ich sagen … ein na ja, ein einfach strukturierter Mensch. Ich hab’ mich gefragt, warum er das auf diese Weise getan hat? Warum hat er sie nicht einfach vergewaltigt, erwürgt, und die Leiche irgendwo vergraben?“, rief sie.
    „ Für Aborigines hat der Tod eine andere Bedeutung. Machen Sie keine Fotos?“
    Sie realisierte, dass sie nicht an ihre Tarnung gedacht hatte. Ein peinlicher Fehler.
    „Die gibt es schon. Jetzt geht es um die Story“, entgegnete sie. Warum kam er eigentlich nicht näher? Warum stand er noch immer bei den Autos?
    Sie machte sich auf die zwanzig Meter Rückweg. Steinchen bohrten sich in ihre Fußsohlen.
    „Vielleicht hat es sich auch einfach so ergeben? “, sagte sie. „Er hatte keine Zeit mehr, oder er hatte sich vorgenommen, zehn Minuten in eine Richtung zu fahren.“
    Hoffman zuckte mit einer Schulter. „Ja, wer weiß schon, was in so einem kranken Hirn vorgeht?“
    Sie stützte sich mit einer Hand auf die Kühlerhaube und leerte ihre

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