Spurlos
verströmen ihren beißenden Atem, den sie in der Hitze des Tages angehalten haben. Zwischen den dürren Baumstämmen hindurch schimmert der knochenbleiche Strand. Dahinter lauert ein Meer aus Pech. Am nachtschwarzen Himmel blitzen ab und zu Sterne so klein wie Nagelköpfe auf. Dann taucht manchmal für Momente auch der sichelscharfe Mond auf.
Schweiß rinnt ihm übers Gesicht. Er zieht den rindenlosen Ast von dem Haufen, zu dem das gesammelte Holz aufgeschichtet ist, und schiebt ihn in die sich nach neuer Nahrung reckenden Flammen. Er sieht eine Weile zu, dann beugt er sich über den Pappkarton, in dem Dosen mit Baked Beans geliefert wurden, kniet sich auf den warmen Stein, und nimmt die Katze heraus, der er zuvor die Beine zusammengebunden hat. Das Maul hält ein Stück Holz offen, um sie am Beißen zu hindern. Das Tier stößt schrille Schreie aus und windet sich auf seinen Armen, er zuckt zurück, als sich Krallen in sein Fleisch graben. Er packt die Katze am Nacken. Er zittert vor Zorn, und vor Schmerz, muss sich beherrschen, sie nicht einfach auf dem Felsen zu zerschmettern. Doch er fasst sich wieder, legt das Tier auf den felsigen Boden und drückt seine Hand auf den Kopf. Mit der anderen Hand zieht er in einer blitzschnellen Bewegung die blanke Klinge seines Jagdmessers über ihren Hals. Blut spritzt, ein Aufbäumen, Zucken, Zittern – der Körper erschlafft. Mit dem Messer schlitzt er den Bauch des Tieres auf, reißt die Organe heraus und legt sie in eine geflochtene Schale. Das Feuer brennt hell zwischen den beiden Felsblöcken.
Erst legt er den Körper in die Flammen, dann die gefüllte Schale. Der Geruch verbrannten Fleischs erfüllt die Luft. Er sieht dem Rauch nach, der immer höher in den Nachthimmel aufsteigt, und weiß, dass es gut ist.
„Ich bring’ sie dir“, murmelte er, und verstaut das Klebeband, einen neuen Plastikumhang und neue Handschuhe in der Einkaufstüte. Wenn sie ihn doch endlich in Frieden lassen würde!
6
21 Steps las Shane auf dem Schild über der Treppe und parkte direkt am Bordstein. Aufgrund eines Artikels in den Northern Territory News hatte sich die Besitzerin eines Esoterik-Ladens gemeldet und behauptet, das Ornament schon einmal gesehen zu haben. Shane hatte nach Costarelli gefragt, aber der sei irgendwo unterwegs und nicht erreichbar, hatte es geheißen. Daraufhin war Shane allein losgefahren.
Das Sonnenlicht war milder geworden, bald würde die Dämmerung hereinbrechen. Hauswände und Asphalt begannen, die im Laufe des Tages gespeicherte Hitze abzustrahlen. Seit fünf Uhr hatten die meisten Läden geschlossen, nur die Türen des Weinladens waren noch geöffnet. Vom Eingang auf der McLaughlan Street, unweit der Kreuzung mit der Knuckey-Street führte die freie Holztreppe hinauf in den ersten – und damit höchsten Stock des Gebäudes. Shane verzichtete darauf, die Stufen zu zählen. Er war noch nicht ganz oben, da wurden seine Sinne schon von klimpernden Windspielen, einem süßlichen Räucherstäbchenduft und leiser Sphärenmusik empfangen. An der offenen Tür plätscherte ein kleiner Zimmerbrunnen.
„Hi!“ Die Frau strahlte ihn an. „Ich bin Reyna.“
Er betrat einen großzügigen, luftigen Raum, an dess en Decke Ventilatoren kreisten und folgte ihr zwischen Verkaufstischen hindurch, auf denen er – obwohl er darin kein Fachmann war - die üblichen esoterischen Produkte erkannte: Essenzen, Karten, Schmuck, Steine, Amulette …
Außer ihnen beiden war niemand mehr im Laden. Bei einem niedrigen runden Tisch mit drei ebenso niedrigen Hockern aus geflochtenem Rattan blieb Reyna stehen.
„Bitte.“ Reyna wies auf die Hocker und goss ihm aus einem Krug, in dem Zitronen- und Orangenscheiben schwammen, ein Glas Wasser ein. Rötliches Abendlicht fiel durch die großen, offen stehenden Fenster herein, der leichte Wind ließ die Windspiele im Laden leise klingen.
„Ich hoffe, ich kann Ihnen helfen“, sagte sie und setzte sich. Ihr Strahlen war verschwunden. Doch ihr Blick in seine Augen war genauso intensiv wie zu Anfang. Er zog aus der Brusttasche seines Hemdes ein Papier, faltete es auseinander und gab es ihr.
Reyna warf nur einen kurzen Blick darauf, dann lächelte sie wieder.
„Ja, wie ich vermutet habe: Das ist der Abdruck einer Powerformplatte.“
„Einer was?“
„Einer Powerformplatte“, wiederholte sie in einem Ton geduldiger Nachsicht und legte den Bogen auf den Tisch. „Was wissen Sie von Energiearbeit?“
„Nun …“ Er hatte nicht die
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